Medien berichteten, Homeoffice sei Denglisch. Stimmt das? Was Sie stattdessen sagen können, lesen Sie hier.

(26.4., aktualisiert am 27.4.) Ich hoffe, Sie haben sich, wie Millionen andere auch, dort gut eingerichtet, Ihre Internetverbindung ist stabil und schnell, Sie müssen nicht mit Ihrem Partner um den Rechner kämpfen und Ihre Kinder quengeln nicht, während Sie sich zu konzentrieren versuchen.

Das Motto gilt natürlich nicht für mich, schließlich ist Texten systemrelevant. Spaßi, wie meine Tochter sagen würde. Aber Tatsache ist, dass ich seit Beginn des Lockdowns (um den starken Begriff der Ausgangsbeschränkungen zu vermeiden) weiterhin ins externe Büro gefahren bin. Als Selbständiger hat man da mehr Freiheit, und ich bin überzeugt, dass es den häuslichen Frieden stärkt.

Wenn Sie jetzt aber denken, Sie hätten durch den Begriff Homeoffice auf elegante Art und Weise Ihr Vokabular erweitert und verfeinert, so ist das eine strittige Frage. Zwar haben Medien, z.B. Ntv und die FAZ,  berichtet, dass der Begriff denglisch sei; denglisch definiert als englisch klingendes Wort, das nur im Deutschen verwendet wird, im Englischen dagegen nicht – und daher auch nicht verstanden würde. Andere, bekannte Beispiele wären das Handy, der Oldtimer oder das Public Viewing; Sprachwissenschaftler nennen es Scheinanglizismus.

Aber stimmt das überhaupt? Kai geht den Dingen gern auf den Grund, stand schon in meinem Ausbildungszeugnis zum Verlagskaufmann. Zeit für eine Anfrage: Mein Freund der Übersetzer, ein native speaker, schreibt:

As far as I know, we say home office back home (!) too.

Und mein anderer Freund, der Chief Strategy Officer, noch ein native speaker, verweist auf einen Eintrag im Cambridge-Wörterbuch:

A room or area in someone’s home that they use to work at their job.

Zugleich räumt er ein, dass nicht alle Wörterbücher den Begriff führen, und dieser sich erst im englischen Sprachraum etabliere.

Daher habe ich mich entschlossen, dem Homeoffice einen Eintrag zu widmen; die Chronistenpflicht treibt mich an die Tastatur, die unklare Lage zu dokumentieren.

Homeoffice: Alternativen

Interessanterweise hat einer meiner Kunden seinen Mitarbeitern untersagt, in der Kommunikation das Wort Homeoffice zu verwenden. Die Mitarbeiter wurden angehalten, von flexiblem Arbeiten zuhause zu sprechen.

Diese Regelung halte ich persönlich für unglücklich, denn die Formulierung fällt mit drei Wörtern ziemlich sperrig aus. Zudem klingt flexibles Arbeiten nach meinem Dafürhalten nach Arbeitszeitverkürzung statt stramm 40 Stunden zu malochen. Und drittens: Wenn Sie sich auch nur geringste Hoffnung auf ein anständiges Ranking machen, ist die Verwendung des Hauptkeywords Pflicht. Flexibles Arbeiten zuhause dagegen ist nicht nur ein anderes Hauptkeyword, sondern in seinen Bestandteilen generisch.

Arbeiten zuhause würde es besser treffen und wäre knackiger, ist allerdings etwas anders konnotiert. Wenn Sie es googlen, stellen Sie fest, dass damit oft selbstständige Nebenjobs gemeint sind, während die Homeoffice-Schaffenden in aller Regel ausquartierte Angestellte sind.

Was die Politiker aus dem Bildschirmfoto angeht, müsste man sich zu der Erkenntnis durchringen, dass ihre Forderung nur für Verwaltungsberufe machbar erscheint. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie um Beispiel im produzierenden Gewerbe die Fertigungsstraßen oder beim Friseur-, Restaurant- oder Arztbesuch der direkte Kontakt zwischen Dienstleister und Kunde, Gast und Patient ersetzt werden sollten.

Vielleicht meinten sie das auch, und nur die Kollegen von der Bildzeitung fassten die ursprünglich differenzierte Idee in ihrem Streben nach plakativer Verdichtung zu der knackigen Schlagzeile „Homeoffice für alle“ zusammen. Die Bezahlschranke hindert mich daran, dieser Frage weiter nachzugehen. Zweifellos klingt diese Überschrift griffiger als

Arbeit zuhause für alle.

Was aber würde ein Angelsachse oder Amerikaner sonst noch sagen, wenn er im Homeoffice arbeitet? I work from home. Oder auch: I am working home. Wie so oft ganz einfach und handfest.

Englisch richtig zu übersetzen ist schwerer als es scheint. Vor allem auf die Verführung ähnlich klingender Worte fallen wir regelmäßig rein. Selten durch Neuschöpfungen, häufiger durch schiefe Übersetzungen. Hier habe ich Einträge zu critical, das nicht kritisch bedeutet, notorious, das nicht mit notorisch übersetzt wird und massive, das nicht massiv heißt, für Sie.

3 Responses to Homeoffice: Willkommen beim Scheinanglizismus?
  1. […] paar neue Wörter gebracht, die sich medial verbreitet und verfestigt haben, allen voran wohl das Home-Office. Dann vielleicht die Triage, also die Abwägung im Feld, welchen Verwundeten man behandelt, und […]

  2. […] Anglisierung geht fröhlich weiter, was sich z.B. an den Wörtern des Jahres wie Lockdown oder Homeoffice […]

  3. […] So war es fast schon überfällig, dass jemand einen kleinen Wettbewerb ausruft – zumal viele im Home-Office Zeit haben, sich in sozialen Medien […]


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