Neulich fand ich auf Ntv die Schlagzeile Moby releast „Resound NYC“ – und war nicht glücklich damit. Was könnte man stattdessen sagen, fragte ich mich, und hatte ein paar Ideen.
Tja, naja irgendwie ahnt man, was gemeint ist, wenn man eine Schlagzeile wie

Moby releast „Resound NYC“

liest. Aber eindeutig ist es nicht. Und schön erst recht nicht. Man kennt das Wort Release wohl am ehesten von Computerprogrammen, weil die ständig aktualisiert werden. Wer im Musikgeschäft arbeitet, kennt das Wort natürlich auch. Aber Ntv wendet sich an die Allgemeinheit. Nach wie vor halte ich es für die oberste oder, wenn Sie wollen, heilige Pflicht jedes Texters, verständlich für seine Zielgruppe zu schreiben. Das wurde hier unterlassen, vermutlich aus den üblichen Gründen:

Der Schreiber

  • war unter Zeitdruck und hat die Formulierung aus der Pressemitteilung übernommen.
  • möchte cool sein und benutzt lieber ein englisches Wort statt eines langweiligen deutschen.
  • wusste selbst nicht genau, wie man releast am besten übersetzt, und ging auf Nummer sicher, indem er es stehenließ.

Dabei hätte er doch einfach in der Wikipedia nachschauen können, um zu erfahren, was Release bedeutet, und was für interessante Nebenbedeutungen das Wort hat. Neben Veröffentlichung steht es zum Beispiel beim Bogenschießen für den Moment, wenn der Pfeil den Bogen verlässt.

Womit wir wieder beim Thema wären, denn ins Schwarze trifft unser Texter hier nicht.

Motive für Denglisch

Verzeihen Sie mir meinen pessimistischen Grundton, aber sicher sind wir uns einig, dass der Vormarsch des Englischen unaufhaltsam ist. So wie es zu früheren Zeiten als schick, um nicht zu sagen, chic galt, französisch zu sprechen, ist heute das Englische das neue Cool. Dagegen wäre auch nichts zu sagen. Durch die Allgegenwart des Internets und der sozialen Medien sehe ich eine eindeutige, unumkehrbare Entwicklung.

  • Englisch zu gebrauchen, hat häufig etwas mit Sprachökonomie zu tun, also sich möglichst knapp auszudrücken. Und es ist nun mal so, dass englische Wörter weniger Silben brauchen als deutsche. Denken Sie an den Screenshot (zwei Silben) im Vergleich zum Bildschirmfoto (vier Silben). Oder das Update (wieder zwei Silben) gegen die Aktualisierung (sogar sechs).
  • Es hat manchmal auch mit dem Sachverhalt zu tun. Es ist auch so, dass man den Vorgang einer Recherche in einer Suchmaschine am treffendsten mit dem Wort googeln bezeichnen kann. Dafür gibt es keine deutsche Entsprechung.
  • Es ist aber zugleich auch so, dass es englische Wörter gibt, die wenig sagen bzw. nur ungefähr etwas bezeichnen und erst recht kein Bild im Kopf des Lesers erzeugen. Bildstark zu schreiben aber ist die zweite heilige Pflicht des Texters, denn der Mensch reagiert in erster Linie auf visuelle Reize, und sowohl Bewusstsein als auch Gedächtnis arbeiten mit Bildern. (Nicht ausschließlich, aber vielfach.)

Alternativen für releast

In diesem Fall gäbe es so viele Möglichkeiten. Sachliches wie

  • Moby veröffentlicht „Resound NYC“
  • Moby bringt „Resound NYC“ heraus
  • Moby kommt mit „Resound NYC“.

Oder emotionalere, wertendere Varianten wie

  • Moby begeistert mit „Resound NYC“
  • „Resound NYC“: Mobys nächster Coup
  • Genial: Mobys neues Album „Resound NYC“

Die Musikindustrie ist besonders berüchtigt für denglisches Kauderwelsch, das Sprachgefühl und Sinnverständnis vermissen lässt. Hier habe ich als Beispiel die unrühmliche Kollaboration zur Hand.

Die gute Nachricht: Immerhin wurde releast richtig gebeugt, nämlich nach deutschen Grammatikregeln, also mit einem -t am Ende. Nicht selten findet man englische Verben, die mit einem -ed geschrieben werden. Gestylt oder gestyled, das ist zum Beispiel die Frage.

Ähnlich schwach wie releast ist performt.

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