Gibt es heiße Temperaturen? Die Wahl des richtigen Wortes ist eine zentrale Aufgabe beim Texten, geht aber oft schief. Ein Fallbeispiel samt hitziger Diskussion.
Wieder mal ist Sommer. Ich verstehe, dass man an heißen Tagen wie diesen nicht so konzentriert wie sonst ist. Ich verstehe auch, dass man nicht immer auf den Punkt formuliert, wenn es schnell gehen muss. Und doch . . . gutes Handwerk ist Ehrensache. Gerade bei Online-Beiträgen könnte man auch nachträglich kurz aktualisieren, wenn einem eine bessere Lösung einfällt. Das hätte im folgenden Fall vielleicht geschehen sollen, der, wie ich meine, augenfällig ist.
Da schrieb nämlich neulich ein Redakteur über die Wetteraussichten der folgenden Tage:
Heiße Temperaturen und Gewitter in Berlin und Brandenburg
Und ich meine, das geht nicht. Schon beim ersten Lesen stolperte ich über die heißen Temperaturen – die sind natürlich hoch, so wie der Wetterbericht ja gern von Höchsttemperaturen spricht. Und nur der Topf kann heiß sein, nach dem Kochen zum Beispiel. Aber dann stünde da:
Hohe Temperaturen und Gewitter in Berlin und Brandenburg
Das ist natürlich ziemlich lahm, wenn man Klicks erzielen möchte. Im Zuge der allgemeinen Erregung über den Klimawandel ist heiß zweifellos das stärkere Zugpferd. Aber heiß und Gewitter – eine Reihung zweier verschiedener Wortarten, hier Adjektiv und Substantiv, geht grundsätzlich nicht. Doch die Überlegung bringt die Lösung näher:
Hitze und Gewitter in Berlin und Brandenburg
Diese Substantivreihung hätte auch noch den Charme, dass zweimal ein kurzes i der tragende Vokal ist und so ein kleiner Binnenreim entsteht.
Nicht selten höre ich, die Kritik in diesem Blog sei kleinlich, oder die Beispiele haarspalterisch. Auf den ersten Blick mag das so scheinen. Doch das ist meines Erachtens zu kurz gedacht. Die Fälle sollen für Entwicklungen stehen. Seit langem beobachte ich, wie das Vokabular schrumpft – denken Sie an negative Höhepunkte, wenn Tiefpunkte gemeint sind. Oder wie falsche Adjektive benutzt werden – massiv wird gern eingesetzt, wenn stark gemeint ist. Und auch Präpositionen werden immer häufiger falsch verwendet – dazu folgt demnächst ein eigener Beitrag. Und so steht dieses Beispiel eben auch für diese Minderleistung, und dann auch noch von einem Profi.
Die Gründe sind stets dieselben: Der Einfluss des allgegenwärtigen Englischen – massive lässt sich 1:1 übertragen, auch wenn es derselbe Fehler ist. Verstehen Sie mich richtig: Ich liebe Englisch, spätestens seit meinen Korrespondententagen in den USA. Einen guten Texter macht es aber gerade aus, dass er zwischen den Sprachen und den Regeln, wie sie verwendet werden, unterscheiden kann. Damit zeigt er, dass er seine Muttersprache beherrscht. Und natürlich der Einfluss des Smartphones – allein die automatische Großschreibung führt dazu, dass man immer häufiger groß geschriebene Adjektive und Verben sieht. Von der Verarmung des Vokabulars durch hastig hingeworfene Phrasen oder Emojis gar nicht zu reden.
Insofern bleibt auch mein Texterrat derselbe: Immer noch mal drüberlesen, ob die Sprache geläufig und verständlich ist. Und übrigens: Ich rege mich nicht ernsthaft auf, sondern beobachte und dokumentiere. Insofern war diese Diskussion auch gar nicht hitzig, sondern lauwarm.
Den Stilverfall in den Medien herauszustellen, ist nicht kleinlich, sondern absolut notwendig.
Weiter so, lieber Kollege!
Danke für die Blumen. In weiser Selbsteinschätzungsgabe muss man aber wohl anerkennen, dass der Zeitgeist stärker und die Liebesmüh vergeblich ist. Nichtsdestoweniger: Ich bleibe dran.