Manche Wörter rufen Verunsicherung hervor, wenn es um das Gendern geht. Dazu gehört das Wort Mitglied, da sein Plural auf -er endet, was als Indikator missverstanden wird. Ein Fallbeispiel.
Obwohl Gendern in Umfragen nach wie vor hohe Ablehnungsraten in der Bevölkerung hat, ist der Wunsch nach korrektem Ausdruck in Unternehmen und Organisationen weiterhin hoch.
Vergangenes Jahr hatte ich für einen Kunden schon die Druckfassung eines Flyers unter Dach und Fach gebracht, als mich meine Ansprechpartnerin anrief und ein paar letzte Korrekturen durchgab. Dabei war ihr aufgefallen, dass einige Formulierungen noch ungegendert waren.
Unter anderem hatten wir die Wörter Einkäufer und Teilnehmer nicht gegendert, was am Ende des Telefonats zur Folge hatte, dass Einkäufer von Morgen nun die Einkäufer:innen von Morgen waren. Das bedauerte ich, denn wo es vielleicht mal knackig sein sollte, bringt Gendern den Rhythmus zum Stolpern.
Doch der Aufhänger für diesen Beitrag war ihre folgende Frage: „Müssen wir Mitglied auch gendern?“ Hintergrund: Im Text stand das Wort im Plural, also Mitglieder, was männliches Geschlecht anzuzeigen schien. „Sagen Sie es ganz offen, Sie sind der Experte.“
Warum Mitglied nicht gegendert werden muss
Ich verneinte, denn entscheidend ist nicht die Endung -er, an der man quasi-intuitiv Korrekturbedarf zu erkennen meint, sondern das grammatische Geschlecht. Beim Gendern sollte man eigentlich nur Wörter männlichen Geschlechts um eine weibliche Endung erweitern, etwa den Bürgermeister oder den Arzt. Das Mitglied ist Neutrum. Im wahren Leben kann es ein Mann oder eine Frau sein, beide biologischen Geschlechter werden damit bezeichnet. Insofern konnte ich Entwarnung geben. Das bestätigt auch ganz offiziell der Duden.
Anderenfalls müsste man sonst auch Kinder zu Kindern und Kinderrinnen machen – was offensichtlich unsinnig ist (aber schon vorgekommen).
Fazit: Was Gendern mit sich bringt
Die Frage lässt tief blicken, denn sie zeigt
- eine ungewisse Unsicherheit im Umgang mit der deutschen Grammatik
- die Neigung zur Vereinheitlichung aller Schreibungen aus optischen Gründen, statt inhaltlich den Einzelfall zu prüfen. Nur weil Einkäufer gegendert werden, müssen es Mitglieder eben nicht; doch die Intention war da.
- die Verunsicherung oder gar Furcht vor öffentlicher Missbilligung. Selbst wenn Mitglied, Einkäufer oder Teilnehmer ungegendert blieben, ginge die Welt nicht unter. Doch die Angst, einen Fehler zu machen und dafür verantwortlich zu sein, sitzt tief.
Gendern den Rhythmus zum Stolpern. Mehr muss dazu nicht gesagt werden, danke für den Beitrag.
Auch das ist sehr wahr. So sehr ich das Anliegen des Genderns, also das Sichtbarmachen des Weiblichen, im Grundsatz nachvollziehen kann, muss man konstatieren, dass seine Auswirkungen auf die Sprache, und hier insbesondere der Fluss eines Satzes (oder Rhythmus, um den Begriff aufzunehmen), stark gestört werden, insbesondere durch das Binnen-I. Gesprochen klingt das wie ein Sprachfehler.