Wenn Sie Adjektive wie schwarz im Zusammenhang mit Schwarzen groß schreiben sollen – und herausfinden, warum. Ernüchternde Bilanz eines Lektorats.
In der Hauptsache mache ich heute Projektmanagement, d.h. ich sorge dafür, dass Kommunikationsvorhaben pünktlich und fehlerfrei bereit stehen. Dabei kommt die eigentliche Textarbeit etwas zu kurz. Daher nehme ich gelegentlich einen Auftrag für ein Lektorat an, dann kann ich wieder etwas stärker sprachlich arbeiten.
Von meinem letzten Lektorat möchte ich heute berichten, denn es hat mich verstört. Es wird nämlich an elementaren Regeln der deutsche Sprache herumgedoktert: Ohne zwingenden sachlichen Grund werden Wörter falsch gedruckt, und das setzt mir zu.
Gegenstand des Buches sind Porträts von Angehörigen unterschiedlicher Hautfarben, vornehmlich schwarz. Darüber zu schreiben oder zu sprechen, ist heutzutage eine heikle Angelegenheit. Richtig, ich spreche vom R-Wort wie in Rassismus, das wie der sprichwörtliche Elefant im Raum steht und den Sie nicht einmal mit Samthandschuhen streicheln dürfen, weil das Tierchen so empfindlich ist.
Ich war schon sensibilisiert, als ich im Vorfeld erfuhr, dass die Übersetzerin der vorigen Bände abgesagt hatte. Der Verlag engagierte daraufhin eine schwarze Übersetzerin. Um Ihnen auch hier etwas Kontext zu geben: Als die Gedichte der schwarzen Dichterin Amanda Gorman übersetzt werden sollten, durfte das in den Niederlanden nur jemand mit gleicher Hautfarbe übernehmen. Sonst handelt es sich um kulturelle Aneignung. These: Nur ein Schwarzer kann richtig interpretieren, was ein schwarzer Autor geschrieben hat. Naheliegendes Gegenargument: „Ich kann Shakespeare nicht übersetzen, weil ich kein Engländer des 16. Jahrhunderts bin.“ (Quelle)
Dann kam das Manuskript. Die Übersetzung war in Ordnung, enthielt aber kurisose Auswüchse der Anwendung politischer Korrektheit. Ich nenne Ihnen die zwei prägnante Beispiele.
Farbige verboten, Schwarze erlaubt
Im Original werden Farbige als People of Color bezeichnet. Die Übersetzerin schlug vor, das als Menschen of Color zu übertragen. Farbige, schrieb sie mir, gingen gar nicht. Auf der sachlichen Ebene ist das unverständlich, denn of color heißt ja nichts anderes als von Farbe, also farbig. Die Auflösung ist ein ziemlich abenteuerlicher Winkelzug: Farbig dürfen Sie nicht sagen, weil es eine Fremdbezeichnung ist, während of Color die selbstgewählte Bezeichnung der Farbigen ist.
Da musste ich zum ersten Mal die Stirn runzeln. Ich erinnerte mich an meine Schulzeit: Mich hatte keiner gefragt, ob mir meine Spitznamen gefielen. Sie wurden mir gegeben, und sie blieben, auch wenn ich mir vielleicht etwas anderes gewünscht hätte. So ist das Leben.
Wie lösen wir das im Deutschen, fragte ich die Übersetzerin, weil ich gern den Anglizismus of color vermeiden wollte, und man ihn so leicht vermeiden konnte. Sie antwortete, dass farbig zwar nicht erlaubt sei, dafür aber schwarz. Wie bitte, dachte ich? Ein Farbiger sieht deutlich anders aus als ein Schwarzer. Obwohl das objektiv der Fall ist, dürfen Sie das offenbar nicht mehr schreiben.
Ich fürchte, wir sehen die Folgen einer Entwicklung, in der man einseitig der Behauptung anhängt, dass Sprache Realität erzeugt. Da ist einerseits was dran, denn der Ton macht bekanntlich die Musik.
Andererseits gilt auch, dass Sprache Realität abbildet. Dass wir Dinge oder Lebewesen eindeutig mit einer Bezeichnung versehen, hat den Charme, dass wir sie voneinander unterscheiden können. Die Möglichkeit zur Verständigung basiert auf der Übereinkunft, dass ein Baum ein Baum, also kein Tisch ist, und eine Fichte keine Tanne. Nun aber sagt der Baum, dass er eine Pflanze mit Nadeln ist. Womit wir Tannen nicht mehr von Fichten unterscheiden können. Ich persönlich halte das für falsch, weil es ein Verlust an Präzision ist. Im Übrigen ist die unterschwellige Unterstellung, man sei Rassist, wenn man einen Farbigen farbig nenne, um ihn von einem Schwarzen zu unterscheiden, dreist und einseitig.
Aber so sind die Zeiten.
Regelbeugung: Adjektiv Schwarz groß, weiß klein und kursiv
Bei der folgenden Schreibung aber fiel mir die Kinnlade herunter.
Wussten Sie, dass man schwarz in Zusammenhang mit Menschen ebendieser Hautfarbe nun groß schreibt? Also Schwarze Menschen? Oder Schwarze Frauen? Oder Schwarze Sportler? Während man weiß weiterhin klein schreibt, dafür aber kursiv, wenn man damit weiße Menschen, Frauen oder Sportler bezeichnen will?
Es tut mir leid, wenn ich altmodisch klinge oder Ihnen regelverliebt erscheine, aber ich habe gelernt, dass wir im Deutschen Adjektive nicht groß, sondern klein schreiben, ganz unabhängig davon, wen oder was wir damit bezeichnen.
Zugegeben: Es gibt eine Ausnahme, in der Zusammensetzungen aus Adjektiv und Substantiv zu einem feststehenden Begriff geworden sind, wie der Runde Tisch, der Goldene Schnitt oder die Mittlere Reife. (Mehr Beispiel und Details) Aber das ist hier nicht der Fall.
Wobei ich die permanente Ergänzung des Substantivs Mensch auch schon lästig finde, weil es aufbläht. Weiße und Schwarze – da weiß doch jeder, was gemeint ist.
So findet sich dann in dem Buch der denkwürdige Satz von den
Orten, wo Schwarze und weiße Zuschauer nicht getrennt waren.
Aber die durch diese Schreibweise sprachlich gleich wieder getrennt werden, möchte ich kritisch und mit milder Ironie hinzufügen.
Adjektive groß oder klein: Der Einfluss von Amnesty International
Ich habe – nach Rücksprache – als guter Dienstleister die Schreibungen so ausgeführt, wie der Auftraggeber es – mit Blick auf einen zu befürchtenden Shitstorm – wollte. Aber ich habe mich dabei gefühlt wie ein Verräter. Es fühlte sich so falsch an, weil ich etwas tat, das klar und ohne Not gegen handwerkliche und sprachliche Grundsätze verstieß.
Nun ist die spannende Frage, woher diese Schreibungen kommen. Denn im Duden, nach wie vor das maßgebliche Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung, steht das nicht. Da heißt es in der Eintragung Schwarzer beispielsweise noch ganz klassisch:
männliche Person, die eine [sehr] dunkle Hautfarbe hat
Beispiel: sie ist mit einem Schwarzen verheiratet
Der Verlag stellte mir auf Anfrage einen Link zu einer Seite von Amnesty International über, Achtung: „diskriminierungssensible Sprache“ zur Verfügung, auf der sich diese sprachunlogischen und willkürlichen Regelungen nachlesen lassen. Woher hat Amnesty International das Mandat, in die deutsche Sprache einzugreifen? Und warum wird das widerspruchslos angewendet? Ich dachte, etwas überspitzt formuliert, deren Auftrag bestehe darin, politische Gefangene aus den Verliesen totalitärer Staaten zu befreien? Und nicht vorzuschlagen, ob man Adjektive groß oder klein schreibt.
Ich halte es für falsch, wenn eine Minderheit getragen von einer Lobbyorganisation wie AI eine Sprache geradezu kapern darf und deren klare Regeln willkürlich beugt. Das ist Identitätspolitik und damit eine Machtfrage, ja schlimmer: bloße Symbolik, denn in der Sache, der Gleichberechtigung, erreicht man damit nichts. Sprachlich schafft man wüstes Durcheinander, das niemandem nützt, aber vielen schadet. Ich habe mich schon während des Lektorats gefragt, wie man einem Schulkind oder einem Ausländer, der Deutsch lernt, derartige Ausnahmeregelungen beibringen will? Als wäre unsere Sprache nicht schon kompliziert genug.
Und sorry, richtig ist auch, dass derartige Schreibungen auf dem Weg über die Sprache neue Ungleichheit schaffen, die doch überwunden werden sollte, nur ins Gegenteil verkehrt. Sieht denn niemand diese offenkundigen Widersprüche?
Ich atme tief durch. Das hier aufgeschrieben zu haben, tut schon mal gut. Eins ist mir aber auch klar geworden: Der gegenwärtige Zustand kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Es muss eine Übergangsphase sein. Die Frage „Adjektive groß oder klein?“ können wir besser beantworten, auch wenn es im Moment nicht danach aussieht.
Bis zum nächsten Lektorat muss ich diese Lektionen nur noch verdauen.
Ihrer Stellungnahme ist nichts hinzuzufügen! Bestrebt zu sein, Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen – sprachliche wie sonstige – zu vermeiden, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Nur sollte – wir Sie zu recht betonen – recht bleiben was recht ist. Und insbesondere sollten nicht im Zeichen der Antidiskriminierung dort neue Unterscheidungen eingeführt bzw. eingefordert werden, wo eigentlich keine Unterschiede gemacht werden sollten. Beispiel Gendern: Bürgerinnen und Bürger. Sollte nicht gerade im Kontext des Bürgerdaseins, das einen Rechtszustand beschreibt, der von Gleichberechtigung gekennzeichnet sein soll, das Geschlecht bedeutungslos sein? Die aktuell propagierten Dopplungen blähen Texte nicht nur unerträglich auf, sondern betonen Unterschiede, wo keine Unterscheidungen getroffen werden sollten. Nein, das soll nicht heißen, dass weiterhin nur die männliche Form generisch verwandt werden sollte. Nur braucht es eine stimmigere Lösung, zur Not eine grammatikalische Neuschöpfung – ansonsten wird die Sprache zum ästhetischen wie inhaltlichen Ungetüm. Und dazu ist Sprache zu wichtig, um ihre Umgestaltung ideologischen Eiferern zu überlassen.
[…] in seinem Aufsatz sehr breit ein, wie ich finde. Neben der Cancel Culture selbt kommt etwa auch die kulturelle Aneignung vor. Allerdings fehlt eine Definition, weswegen ich ein Zitat von Kaiser hier […]
Hättes den Amnesty-Beitrag ja auch mal lesen können.
Farbig ist zum Beispiel ein Wort, das ganz klar koloniale Vergangenheit hat.
Wo ist es jetzt Symbolpolitik, wenn dich die Menschen, die von dieser Bezeichnung getroffen sind, darauf hinweisen, das nicht zu benutzen?
Die ominöse Machtfrage, von der du da sprichst, steckt viel mehr in einer Dickköpfigkeit. Es hat nämlich auch etwas mit Macht zu tun, wenn die Menschen, die von einer Diskriminierungsform nicht getroffen sind, sich querstellen, wenn die Betroffenen um Achtsamkeit bitten.
Sprache hat Regeln, na toll. Aber Sprache ist sehr stark sozial konstruiert und folgt mehr als nur grammatikalischen Regeln. Außerdem ist Sprache in fortwährender Veränderung.
Und nein. Color und farbig sind mehr als nur zwei Wörter, die sich miteinander übersetzen lassen. Das ist doch nicht schwer zu verstehen. “Ich verstehe nur Bahnhof.” Das kannst du nicht im englischen nutzen. Sprache ist doch keine Matheformel.
Du liest heute auch nicht die gleichen Texte wie vor 50, 100 oder 150 Jahren. Völliger Unfug, sich so gegen sprachliche Veränderungen zu wehren. Dann nimm dir eine alte Bibel aus dem Schrank und lies Frakturschrift, wenn du so erpicht darauf bist, dass alles bleibt, wie es ist.
Vor 60 Jahren musste die deutsche Gesellschaft noch darum kämpfen, dass Tippse keine Bezeichnung für eine tippende Sekretärin ist. Und auch damals haben Männer, entlang der gleichen Argumentationslinien wie du, sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt.
Dein ganzer Artikel ist einfach nur unnötig. Hör Menschen zu. Hör dir die komplexen Diskriminierungserfahrungen an. Wirf mal deine verhärteten Überzeugungen zu Sprache über den Haufen. Hör auf, komplexe soziale Gefüge als etwas Simples darzustellen. LIES DIR DEN AMNESTY ARTIKEL DURCH. Und bitte bitte verwende mehr Zeit auf deine Reflektion als darauf, solche unnötigen Artikel zu verfassen.
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich bestreite nicht, dass Diskrimierung vorkommt, halte aber die Großschreibung von Adjektiven für eine ungeeignete Maßnahme dagegen. Das ist bloßer Symbolismus, der im Gegenzug Unsicherheiten für die Mehrheit der Bevölkerung nach sich zieht. In der Interessensabwägung gebe ich einer Mehrheit im Zweifel den Vorrang.
Sie wirken tatsächlich altmodisch und regelverliebt. Ich finde den Artikel schockierend, da er mir nahe legt, wie viele Leute tatsächlich einfach den Knall noch nicht gehört haben.
Hier zuerst die grammatikalische Erklärung: Man schreibt “Schwarze Menschen”, da es eine Selbstbezeichnung ist. Sie zählen kurz danach selbst die Ausnahmen auf, in denen ein Adjektiv gross geschrieben wird, wenn es als “ein feststehender Begriff geworden ist”. Das ist bei Schwarzen Menschen der Fall, ob Sie das verstehen, cool finden, wollen, für notwendig halten, oder nicht. Da hat der Duden nichts zu sagen, und Sie auch nicht. Weil Sie einfach nicht die Kompetenz dafür haben.
Und die kontextualisierte Erklärung: Sprache ist nicht nur Regeln, sondern ein Konstrukt unserer Gesellschaft und Geschichte. Das müssen wir respektieren, und Sprache immer wieder neu definieren und weiter entwickeln. Wäre dem nicht so, müssten wir nach Ihrer Logik ja auch weiterhin N*** oder Z*** sagen dürfen, denn, hey, solange wir das grammatikalisch richtig verwenden, ist ja alles in Ordnung. Wahrscheinlich sehen Sie das sogar tatsächlich so. Würde mich jetzt auch nicht mehr überraschen.
Vielen Dank, lieber Schockierter. (Sie hätten ruhig einen Namen nennen dürfen, ich beiße nicht). Man müsste sich vergegenwärtigen, dass Rechtschreibregeln nicht frei von Minderheiten bestimmt oder verändert werden, egal wie berechtigt ihre Interessen sein mögen. Regeln haben einen Sinn, nämlich Verbindlichkeit für eine Mehrheit herzustellen. Das mag ihnen missfallen, die Schlussfolgerung hingegen, jemand sei regelverliebt, weil er diesen Sachverhalt anerkennt, ist unzulässig. Insofern zielen auch Ihre Unterstellungen ins Leere, und die Frage ist, warum Sie diese ad hominem-Komponente ins Spiel bringen. Bringt in Bezug auf die Sachfrage nichts. Aber danke trotzdem – Diskussionen halte ich für wichtig, Sie werden zu wenig geführt.