Das Wortspiel bleibt für Texter eine große Verführung. Was ich zuletzt bemerkenswert und diskussionswürdig fand, habe ich in diesem Beitrag zusammengestellt.

In Kurztexten, vor allem in Überschriften und Slogans, ist das Wortspiel ist gefragtes Bestandteil. Seine Popularität lässt sich daran erkennen, dass es dazu sogar einen Wettbewerb darum gibt. Auch hier im Blog beschäftige ich mich von Beginn an damit.

Der Trend ist ungebrochen. Aktuell gefällt mir ein Plakat der Welthungerhilfe sehr gut.

Es-reicht-Wortspiel

Wortspiel „Es reicht“ (Plakat in München): Gelungener Tanz mit der Doppeldeutigkeit

Es reicht! Zeilensprung. Für alle.

Nicht schlecht. Um nicht zu sagen: Wow. Warum?

Weil die meisten Wortspiele nur in einer Bedeutung richtig funktionieren – hier aber beide Varianten Sinn ergeben, der eigentliche Wortsinn und die übertragene Bedeutung.

  • Die Nahrungsmittel könnten für alle reichen (Wortsinn), und
  • die Empörung über die ungerechte Verteilung ist auch da (übertragene Bedeutung).

Zumal die Versalien die Empörung auch noch in der Typographie hervorheben. So kann man es machen.

Das gelungene Wortspiel bei Spiegel Online

Ich kann mich immer wieder über gelungene Schlagzeilen mit Wortspielen begeistern. Ein reich sprudelnde Quelle neben Plakaten sind Spiegel und SpOn. Toll war zum Beispiel die Titelzeile

Ende Legende

auf dem Cover der Ausgabe 32/17. Anlass war die deutsche Autoindustrie, deren Geschichte lange eine legendäre Erfolgsgeschichte war. Und darauf wird dann auf die Redewendung Ende Gelände angewendet. Das zeugt von Inspiration resp. einem Geistesblitz. Allerdings muss man sagen: Der Spiegel kopiert seine Online-Ausgabe: Eine Bildunterschrift aus dem Jahr 2016 enthielt dieses schöne Wortspiel bereits.

Eine ebenso gelungene Alliteration zum Beispiel fand ich bei Spiegel Online in der Überschrift

Niedertracht in Niedersachsen

über den Übertritt einer Grünen-Politikerin zur CDU vom August 2017. Sie spielt geschickt mit Worten, in dem sie zwei Hauptwörter mit selben Anfangssilben verbindet, zugleich aber nachrichtlich Sinn ergibt. Das ist eine wichtige Anforderung, die schnell in Vergessenheit gerät: Wortspiele sind in Nachrichten eigentlich nicht erlaubt, weil Nachrichten ernsten Charakter haben. Das hat sich in den letzten Jahren gelockert, weil die Nachricht im Netz so schnell weitergedreht werden muss und durch das Wortspiel einen Mehrwert erhalten soll. Wenn man sich also zu einem Wortspiel entschließt, dann muss es den nachrichtlichen Aspekt stützen bzw. darf ihn nicht schädigen.

Bei Lifestyle- und Feuilleton-Artikel ist der Nachrichtenwert traditionell gering. Daher findet man dort Wortspiele besonders häufig. Gefallen hat mir im August

Kleider geil

auf SpOn, ein Beitrag über eine Dior-Ausstellung in Paris. Die Zeile trifft das Thema und variiert eine sehr populäre Phrase.

Gut war auch

Scholl und Rauch

über einem Kommentar anlässlich der Trennung der ARD von ihrem Sport-Kommentator Mehmet Scholl. Sie sehen auch hier: Ein nachrichtenferner Kommentar lässt eher ein Wortspiel zu als die eigentliche Nachricht.

Das misslungene Wortspiel

Doch manchmal ist es zuviel des Guten. In den letzten Wochen und Monaten haben sich auch Beispiele für grenzwertige Wortspiele gefunden, solche, bei denen sich das Gesicht zur Grimasse verzieht, weil es dezent im Hirn schmerzt und zu einem gedanklichen „Aua“ führt.

Wortspiel Komfortgabel statt komfortabel

„Komforgabel“ (Schlagzeile in Spiegel Online): Hier textet der Wortspiel-König.

Vor allem im Radressort bei SpOn hält man einen Wortspielkönig in den Reihen. Munter werden die Buchstaben verdreht. Was halten Sie von

Fährt sich komforgabel,

wie dort im September getitelt wurde? Für mich ist das nichts, denn diese Kreation ist schon deswegen tückisch, weil eine Komfortgabel existiert – und so auf den ersten Blick der Eindruck eines Tippfehlers entsteht. Davor rettet sich der Texter mit Ach und Krach, weil komforgabel ein Adverb ist, während die Komfortgabel als Substantiv grüßt.

Ein Wortspiel pro Beitrag verkraftet man als Leser noch ganz gut. Doch manchmal finden sich die Wortspiele sogar im Doppelpack. Wie etwa hier bei SpOn, wo in einem Beitrag im Juni nicht nur die Überschrift, sondern auch die Rubrik veredelt wurden.

Radel verpflichtet

Jetzt ist Schloss

Das ist Stilmittel-Overkill. Tipp für Texter: Wortspiele sind unter bestimmten Umständen das Mittel der Wahl, sie zeugen von Witz, was die Lektüre auflockert und den Lesern binden kann. Bitte stets die Angemessenheit und Dosis prüfen! In der Menge ist es wie mit dem Würzen beim Kochen: Zuviel Salz verdirbt den Eigengeschmack der Speise.

Weiterlesen? Gern genommener Gegenstand von Wortspielen ist der amtierende US-Präsident Trump.

One Response to „Es reicht“: Wortspiel-Liebling November
  1. […] letzten Jahres gab es ein ebenfalls sehr gelungenes Plakat der Welthungerhilfe, allerdings mit einem Wortspiel zu einem ernsteren […]


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