Neuerdings sind Todesopfer in den Medien durchweg gestorben – auch wenn sie ermordet wurden oder tödlich verunglückten. Doch für Gewalt- und Unfallopfer kennt das Deutsche genauere Bezeichnungen. 

(6.10.2011, Nachtrag 17.10.2011) Amanda Knox ist frei. Im Bericht über das Urteil hieß es dazu vorgestern im Panorama der Süddeutschen Zeitung:

„Familie Kercher muss nach London zurückkehren, ohne sicher zu wissen, wie Meredith gestorben ist.“

Bei allem Respekt vor der Toten: Meredith Kercher starb nicht. D.h. technisch gesehen schon, da sie tot ist. Allerdings wurde sie ermordet; über ein Mordopfer sagt man nicht, dass es gestorben ist. In dem Bericht hätte besser gestanden:

„Familie Kercher muss nach London zurückkehren, ohne sicher zu wissen, wie Meredith umgebracht wurde.“

Dieses Beispiel illustriert einen Trend, den ich schon eine Weile beobachte: Wenn über Todesopfer berichtet wird, wird einheitlich nur noch das Verb sterben verwendet. Die übliche sprachliche Unterscheidung nach Todesursache entfällt. Über die Ursache bin ich mir noch nicht im Klaren. Im Fall Knox könnte es sein, dass der Redakteur eine englischsprachige Quelle benutzt hat, in der to die gestanden haben dürfte.

Zweites Beispiel, diesmal berichtet die SZ auf der Titelseite (13.9.2011)  unter der Überschrift „Schwerer Unfall in französischer Atomanlage“:

„Bei der Explosion eines Schmelzofens für Nuklearmüll in einer südfranzösischen Atomanlage ist am Montag ein Arbeiter gestorben.“

Nominell stimmt es: Ein Mann ist tot, also muss er gestorben sein. Doch das wie entscheidet: Auch bei einer Explosion und anderen Unfällen, etwa im Verkehr, stirbt man nicht einfach nur, sondern kommt ums Leben.

Er starb eines natürlichen Todes – diese etwas steife Redewendung bringt es auf den Punkt: Das Verb sterben ist natürlichen Todesursachen oder Krankheiten vorbehalten, so wie man in diesen Fällen auch ablebt oder entschläft – dies allerdings sind feierliche, verklärende Varianten für Todesanzeigen. In Fällen von Gewalt und Unfällen wurde jemand umgebracht, ermordet, kam uns Leben oder verunglückte tödlich.

Merkwürdig ist daneben der Zeitengebrauch. Beim Sterben handelt es sich um einen Vorgang, der in der Vergangenheit abgeschlossen wurde und nicht bis in die Gegenwart reicht, in beiden Fällen ist die Zeit fragwürdig: Ich hätte Präteritum statt Perfekt verwendet.

Nachtrag (17.10.2011): Und damit die Sache nicht nur mit Beispielen aus der SZ vor sich geht – hier eins von dpa auf Spiegel Online. Bei einer Massenkarambolage in Las Vegas kam gestern der Rennfahrer Dan Wheldon ums Leben, während er in der Meldung „gestorben ist“.

5 Responses to Stilvoll sterben: Auf die Ursache kommt es an
  1. Äh? Etwas spitzfindig, sag ich mal als Germanistin. Sterben bleibt sterben. Todesursache ist oft im journalistischen Zusammenhang unwichtig.

    • @ Bibi: Zweifellos eine feine, aber doch klare Unterscheidung. Ihre Begründung verstehe ich nicht. Die Todesursache ist doch oft erst der Anlass für die Nachricht, s. das Beispiel vom toten Arbeiter in der Atomanlage. Hätte der dort einen Herzschlag erlitten, hätte kein Hahn danach gekräht. Erst durch den Unfall wurde es journalistisch interessant.

  2. Naja, aber im Zusammenhang “Dreissig Arbeiter sind in Fukushima gestorben” wird wohl klar, dass diese nicht einfach so gestorben sind. Wenn man nun schreibt “er ist ums Leben gekommen”, weiß der Leser doch auch nicht mehr. Verbrannt? In der Explosion gestorben? Radioaktiv verseucht verreckt? Ins radioaktive Becken gefallen?

    • @ Bibi:
      Im Sinne meines Posts hätte ich der Zeile „Dreißig Arbeiter sind in Fukushima gestorben” entnommen, dass Strahlenkrankheit dazu geführt hat; bei „ums Leben gekommen“ wüsste ich, dass es ein Unglück gegeben haben muss – welcher Art, darüber unterrichtet mich dann hoffentlich die Meldung. 😉 Die Unterscheidung schafft einen zugegeben kleinen, aber vorhandenen Informationsvorsprung, weil sie genauer ist.

  3. […] da wir schon bei Warnungen vor Unglücken sind: Hier geht’s zu „Stilvoll sterben“, meinem Beitrag zur nachrichtlichen Unterscheidung […]


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