Sport trifft Arbeitsrecht trifft Medien: Warum man sich trennt, wenn jemand entlassen wird.

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Scheiden tut weh: Tagesschau-Bericht über Trainerentlassung (Bildschirmfoto)

Am Wochenende kam es in Fußballbundesliga zu einem Trainerwechsel: Roger Schmidt musste in Leverkusen gehen. Ein Routinevorgang, traurig zwar, aber an der Tagesordnung, wenn es nicht läuft. Und das tut es derzeit nicht. Aufgreifen möchte ich die Berichterstattung. Vorbildlich war zur Abwechslung am 5.3. die Tagesschau.

Bayer Leverkusen entlässt Trainer Schmidt

steht erfrischend direkt auf der Tafel. So was kenne ich schon gar nicht mehr, es erfreut aber das von vielen Faux-pas gebeutelte Zuschauerherz. Jan Hofer liest derweil ungerührt die Phrase vom Blatt, nach der der Verein sich von seinem Trainer trenne. Die hatte ich eigentlich auch auf der Tafel erwartet, sie ist die übliche Formulierung geworden. Obwohl sie trister Arbeitsrechtlersprech ist, formal korrekt, aber blutleer.

Emotionen verhüllen, professionell wirken

Sich trennen – das klingt nach einem schnellen Schnitt, kalt, glatt, emotionslos. Doch wir alle können uns vorstellen, welche Querelen, Konflikte, Vorwürfe, Streitigkeiten im Vorfeld geherrscht haben müssen. Wo bleiben der Frust, die Enttäuschung, die Wut, die zu einer solchen, für alle Beteiligten harten und schweren Enttäuschung führen? Wo die Erleichterung darüber, wenn die Entscheidung getroffen und vollzogen ist? Das alles fehlt und wird verhüllt. Wozu? Die Absicht: Nach außen Haltung bewahren, professionell wirken, beherrscht bleiben, um zu signalisieren, dass man die Dinge im Griff hat, wenn sie eigentlich außer Kontrolle gerade sind. Da lobe ich mir doch die Drastik, mindestens aber doch das Faktische der Umgangssprache.

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Sagen, was Sache ist? Spiegel Online bleibt dem Arbeitsrecht treu. (Bildschirmfoto)

Spiegel Online dagegen zieht es vor,  brav das Arbeitsrecht wiederzugeben: Von der Trennung lesen wir in der Schlagzeile, stellt frei, die zweite, noch schlimmere arbeitsrechtliche Phrase, finden wir dann im Intro. Freistellen – hinter dieser neutralen Hülle verbirgt sich doch in Wahrheit fristlose Kündigung, also Rausschmiss, Überraschung, wenn nicht gar Schock, vielleicht Tränen, Spind und Schreibtisch räumen, und zwar sofort. Wo bleibt der Aufruhr hinter den Kulissen? Nichts davon. Hübsch auch die dritte arbeitsrechtliche Variante, die Medien auch gern in aller Arglosigkeit verwenden, vielleicht weil sie noch etwas gehobener klingt: jmd. von seinen Aufgaben entbinden.

Saftig-drastisch und echt: Feuern und rauswerfen

Wo doch gerade in unseren Qualitätsmedien die Neigung besteht, dicht zu machen statt zu schließen, oder zu kippen wenn etwas rückgängig zu machen ist, könnte ich mir auch deutlich kräftigere Varianten vorstellen. Wie wäre das:

Leverkusen feuert Roger Schmidt

oder

Leverkusen wirft Schmidt raus

Ich fürchte übrigens, der Grund ist schlicht wie meist: Der Redakteur wählt den einfachsten Weg, auf dem es am schnellsten geht, auf dem er nicht denken oder umschreiben muss. Heißt: Er kopiert die Pressemeldung des Vereins ins CMS. Und in der steht: sich trennen. Und da SpOn und Co. diese Formulierungen gern nutzen, gilt auch der Einwand nicht, diese Varianten seien zu drastisch-boulevarddesk und gehörten in die Bild-Zeitung. Allgemein muss ich sagen: Wer einerseits dicht macht und andererseits freistellt, bei dem stimmt die Tonalität nicht; eine einheitliche Linie wäre für die Qualitätssicherung gefragt.

Heute konnte ich die Tagesschau loben. Da kann man aber auch ganz andere Sachen erleben.

One Response to Sich trennen statt entlassen – der schwere Schritt zum harten Schnitt
  1. […] Formulierung wählte. Darüber wissen wir nichts. Auf der anderen des sprachlichen Spektrums steht sich trennen, das mir damals (und immer noch) mißfiel, weil es so geziert-distanziert ist. Share on […]


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