Heißt es Ziellink oder Linkziel – was ist richtig? Überlegungen und Vorschläge.
(23.7.2016) Es ging vor drei Jahren los, als wir ein CMS befüllten und der Auftraggeber von Ziellinks sprach, ein seltsam klingendes Wort. Gaukelt Fachlichkeit vor, löst aber Beklemmungen aus, weil es so bürokratisch klingt. Das hing auch vom Zusammenhang ab, der nämlich soz.B. so ging: „Es wurde noch kein korrekter Ziellink hinterlegt“, hieß es in einer E-Mail des Kunden. Jetzt tauchte der Begriff in einem anderen Projekt auf, und ich fand ihn derart dubios, dass ich ihm auf den Grund gehen wollte. Hier die Resultate.
Zierling oder Linkziel?
Zunächst: Interessanterweise wird Ziellink von der Autokorrektur in Zierling verwandelt, während das Linkziel unbeanstandet bleibt. 🙂 Wie ist das mit zusammengesetzten Wörtern im Deutschen? Man kann Substantive beliebig oft zusammensetzen, wir alle kennen den Donaudampfschifffahrtskapitän. Allerdings nicht in beliebiger Reihenfolge. Das hinten stehende bestimmt den Sinn und ist das wichtige, weswegen das zusammengesetzte Wort auch stets das grammatische Geschlecht des zweiten Wortes annimmt (der Kapitän, nicht die Donau); das oder die Substantive davor beschreiben genauer.
Der Praxistest
Für das praktische Verständnis bietet sich an, die Wörter zu zerlegen und die logische Hierarchie zu prüfen. Klingt abstrakt? Gebe ich zu. Wir probieren kurz, dann wird klar, was ich meine:
Autobahnabfahrt: Die Abfahrt von der Autobahn – und nicht die Autobahn von der Abfahrt.
Autotür: Die Tür eines Autos – und nicht das Auto einer Tür.
Türöffner: Der Öffner der Tür und nicht die Tür des Öffners.
Bienenhonig: Der Honig der Biene – und nicht die Biene des Honigs.
Budenzauber: Der Zauber der Bude – und nicht die Bude des Zaubers.
Sie verstehen das Prinzip, das in aller Regel zu einem sinnvollen Ergebnis führt. Jetzt die Nagelprobe (die Probe des Nagels, und nicht der Nagel der Probe). Wie ist es beim Ziellink?
Ziellink: Der Link des Ziels.
Linkziel: Das Ziel des Links.
Sehen Sie? Wobei noch der Einwand eines Onlinegestalters unbeachtet bleibt, mit dem ich die Frage die Woche über auch erörterte. Dass nämlich der Link nichts anderes als eine Verbindung von hier nach da, also zu einem Ziel sei. Er meinte sogar, Link würde genügen, Linkziel oder Ziellink wäre tautologisch.
Zum Schluss die Empirie bei Google:
Ziellink führt zu 4.800 Treffern,
Linkziel zu 31.000 (Stand: 23.7.16). Beides keine sehr häufigen Wörter, aber immerhin, das Häufigkeitsverhältnis beträgt 6,458 Periode 3:1 zugunsten des Linkziels.
Das Tiefenschärfe-Problem
Ein analoges Problem entsteht übrigens bei der Tiefenschärfe und der Schärfentiefe, wie eine zweite Gestalterin ergänzte, die das Gespräch mitanhörte. Ist es die Tiefe der Schärfe oder die Schärfe der Tiefe? Hier nähern wir uns zügig dem Henne-Ei-Problem, eine Entscheidung fällt mir schwer. Fotografisch gesehen würde ich zur Schärfe der Tiefe neigen, nach der gefragt wird, aber man kann sich andererseits retten, indem man fragt, wie tief die Schärfe ist, i.S. von wie weit sie reicht. Das kommt mir zwar gebastelt vor, aber ich kann nachvollziehen, wie man auf diesem Weg dazu kommt, beide Begriffe als Synonym anzuerkennen. So macht es zum Beispiel die
Wikipedia. Anatol Stefanotisch, seines Zeichens Sprachwissenschaftler, hat sich in seinem
Blog ausführlich mit der Frage beschäftigt.
3. Februar 2017
Guten Tag,
ich bin heute auf diesen Blog gestoßen und habe es gerade eine Weile sehr genossen darin zu lesen, vor allem wegen des hohen Anspruchs an sprachliche Genauigkeit.
Als ich jedoch in diesem Artikel las, dass “das Häufigkeitsverhältnis … 6,458 Periode 3:1 zugunsten des Linkziels” beträgt, musste ich erst einmal kurz überlegen, was das jetzt heißen sollte (“wo und wieso steht die Periode 3:1?”) und vermutete zuerst einen Tippfehler. Als es mir dann klar wurde, was gemeint war, bekam ich beinahe körperliche Schmerzen.
Wenn Sie schon mathematisch so genau sein wollen, und keine gerundeten Werte benutzen, dann benutzen Sie doch bitte auch die mathematisch korrekte Darstellungsweise für die Periode. Allerdings frage ich mich, worin hier der sprachliche und inhaltliche Mehrwert gegenüber einem “rund 6,5:1” liegt. Schließlich befinden wir uns hier nicht in (m)einem Matheunterricht.
Hallo, lieber Herr (oder Frau?) Konzelmann,
ich bedaure, dass Sie körperlich leiden mussten, und hoffe, Sie haben sich inzwischen erholt. 😉 Gern hätte ich die Periode mathematisch korrekt abgebildet. Der Grund für die Unterlassung ist praktischer Natur: Diese Seite läuft unter WordPress, und manche Zeichen lassen sich damit nicht abbilden (jedenfalls nicht, dass ich wüsste). Ich hätte natürlich rund schreiben können, aber Periode fand ich als Begriff so schön. Verzeihen Sie diese kleine Marotte!
Was mich insgesamt freut ist, dass Sie trotz dieses Lapsus meinen Ansatz von sprachlicher Genauigkeit erkannt haben und offenbar zu schätzen wissen. Für mein Empfinden lässt die Sprachpraxis gerade in Medien in dieser Hinsicht einiges vermissen, verbunden mit einem Mangel an Vokabular.
Ich hoffe, ich darf Sie bald wieder hier begrüßen. Auch für Rückmeldungen, gleich welcher Art, bin ich stets empfänglich. Beste Grüße.