Bei Verneinungen und Vermutungen hat sich in Medien das sanfte „eher nicht“ durchgesetzt – doch sein inflationärer Gebrauch nutzt es ab. Was kann man stattdessen sagen?

(10.12.2011) Wie viel Schonung braucht der Mensch in einer hochentwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft? Anscheinend eine Menge. Medial (und auch im Gespräch) fasst man sich mit Samthandschuhen an, wenn etwas verneint werden muss.

Doppelnutzen: Sanfte Milde . . .

„Eher nicht“ – diese Wendung lacht den Leser dann an, auch mich diese Woche, als ich ein Belegexemplar durchsah, das ich gerade druckfrisch aus dem Briefkasten geholt hatte. In diesem Fall wurde gleich doppelt abgefedert: „Wohl eher nicht“ stand da sogar in einem Artikel. Klarheit kann so hart sein – dann schon lieber sanfte Milde.

Ein einfaches Nein, ein schlichtes vielleicht scheint undenkbar – in Zeitungen, Zeitschriften und im Netz wimmelt es vom floskelhaften eher nicht oder eher wenig, sobald der Boden gesicherten Wissens verlassen, etwas vermutet wird oder faktenfrei bewertet werden muss. Und was weiß man schon, seit es keine Archive mehr gibt, die prüfen, bestätigen oder verwerfen? Eher wenig? Oder doch einfach nur wenig?

. . . mit künstlicher Sicherheit

Eher nicht – das klingt zunächst locker, lässig und differenziert. Forsch behauptet, und doch mit einem steppenweiten Fluchtweg. Damit lässt sich jedes Gerücht zementieren. Die Floskel wäre witzig, wenn sie nicht an allen Ecken und Ende aufträte und zugleich so wachsweich und aalglatt klänge. Wahrscheinlich ist es so, vielleicht aber auch anders; auf jeden Fall relativ. So schafft man künstliche Sicherheit – ein weiterer zentraler Wert in einer hochentwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft.

Kann eher nicht also eine wünschenswerte, dauerhafte Lösung sein? Wohl kaum. Oops! Gleicher Sinn, positiver besetzt, und mal was anderes, wenn man elegant verneinen will. Joachim Mohr macht’s auf Spiegel Online vor – erste Zeile, letzter Absatz.

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