Wenn bei Fußballübertragungen von antizipieren die Rede ist, könnten die Reporter auch was anderes sagen – zumal sie doch gern so volksnah sind.

Ahnt was – ARD-Reporter Tom Bartels (Screenshot)

Ahnt was – ARD-Reporter Tom Bartels (Bildschirmfoto)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(21.6.2014) Gestern im Spiel zwischen Italien und Costa Rica flog ein langer Ball in die italienische Hälfte. Guanluigi Buffon, der italienische Keeper, stürmte heraus und klärte mit dem Fuß vor dem gegnerischen Angreifer.

Fußball-Phrasen sind so sicher und unvermeidlich wie das Amen in der Kirche. Doch es gibt Unterschiede, zum Beispiel zwischen den ganz ausgelutschten und den modischen Phrasen. Medial betrachtet kam es, wie es kommen musste. ARD-Reporter Tom Barrels entschied sich für eine aktuelle Variante und sagte:

„Den hat Buffon antizipiert.“

Nun freut es mich, dass Bartels Fremdwörter beherrscht und offenbar über einen reichen Wortschatz und eine gute Allgemeinbildung verfügt. Gleichzeitig fragte ich mich im Interesse aller ARD-Zuschauer ohne Abitur und Latein-Grundkurs, ob man diesen Satz nicht auch ohne Fremdwort ins Mikrofon sprechen könnte.

Hätten Sie es geahnt?

Der Duden nennt antizipieren ein schwaches Verb (ist es auch, weil es kein Bild hervorruft) und gibt als deutsche Bedeutung vorwegnehmen an. Da man nicht immer sklavisch die wörtliche Übertragung verwenden muss, sondern auch sinnverwandte Begriffe  erlaubt sind, schlage ich noch erwarten, ahnen oder voraussehen vor. Unter den Gesichtspunkten umgangssprachlicher fußballerischer Verwendungspraxis, Verständlichkeit und Kürze würde ich ahnen favorisieren.

Mir geht es in diesem Eintrag nicht nur um die Verwendung des Wortes antizipieren, sondern auch um die Haltung dahinter und den stimmigen Auftritt. Denn für mich passt es nicht zusammen, dass sich die Sportreporter von ARD und ZDF in Übertragungen immer betont volksnah geben, was sich unter anderem in völlig übertriebener Begeisterung bei Toren ausdrückt, und dann andererseits humanistisches Bildungsgut auspacken. Mehr Linie wäre besser. Mit dieser Sicht stehe ich nicht alleine, auch dem Westen ist antizipieren in einer Sportstudio-Kritik schon unangenehm aufgefallen.

Was sich im Fußball zuletzt noch so etabliert hat.

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