Eine eigenwillige Überschrift in der Tagesschau zu Lukas Podolski: Der Rücktritt wird zum Rückzug.

Lukas Podolski tritt zurück

Leberwurst oder Diva? Spekulationen nach dem Rücktritt Podolskis (Bildschirmfoto)

(18.8.2016) Die Älteren werden sich erinnern: Montag dieser Woche trat Lukas Podolski aus der Nationalmannschaft zurück. Nicht der Normalste aller Vorgänge, aber einer der Normalsten aller Sätze. Doch was macht die Redaktion der Tagesschau daraus – s. Bildschirmfoto:

Podolski zieht sich aus Nationalelf zurück

Ich wunderte mich über die eigentümliche Formulierung. Wir kennen Podolski als volksnahen Gute-Laune-Bären. Und nun zieht er sich zurück? Das klingt nach beleidigter Leberwurst – und ist damit unglaubwürdig. Es klingt nach launischer Diva. Auch das war Podolski nie. Warum also dieses merkwürdige, untypische Verb zurückziehen? Nehmen wir das Schlimmste an: Wahlweise daneben getapst oder verzweifelt anders texten wollen. Oder jemand wollte zuungunsten der Gebräuchlichkeit ganz genau sein: Der Duden kennt unter der vierten Nebenbedeutung der siebten Hauptbedeutung von zurückziehen etwas aufgeben oder aufhören, an etwas teilzunehmen, während zurücktreten in der fünften Bedeutung als ein Amt niederlegen definiert ist. Und zugegeben: Linksaußen ist immer noch kein Staatsamt.

Podolski tritt aus Nationalelf zurück

Das wäre die bessere, geläufige Lösung, die bei der Meldung zu Bastian Schweinsteiger Ende Juli noch problemlos gelang – s. Bildschirmfoto.

Bastian Schweinsteiger tritt zurück

Schweinsteigers Karriere-Ende: Korrekter Rücktritt (Bildschirmfoto)

Ziehen wir das Bild bei Podolski auf und betrachten die Vorzeile:

Nach 12 Jahren im DFB-Team

Wer ist das DFB-Team? Wir verstehen, was gemeint ist, aber niemand nennt die Nationalmannschaft so, sondern nur Journalisten, die in Jargon abdriften oder glauben, ein Synonym verwenden müssen, nachdem sie die Schlagzeile gemacht haben. Dabei macht die Wortdoppelung Nationalelf erst augenfällig, dass diese Information bereits in der Überschrift enthalten ist – und damit in der Vorzeile entbehrlich.

Zwei Lösungen bieten sich an. Entweder eine gekürzte Vorzeile

Nach 12 Jahren:

oder eine kürzere Schlagzeile

Podolski tritt zurück.

Dann aber mit der Vorzeile

Nach 12 Jahren in der Nationalelf:

Das wär’s für mich gewesen. Überschriften und Vorzeilen sind gar nicht so einfach aufzuteilen, aus Zeitdruck oder manchmal aus sachlichen und sprachlichen Gründen. Lesen Sie die Geschichte von dem Wolf, der in einem niedersächsischen Wald gesichtet wurde – oder auch nicht.

P.S. Am selben Tag traf’s die Tagesschau-Redaktion noch einmal. In einem umstrittenen Beitrag über Wassermangel im Westjordanland, der den Bayerischen Rundfunk sogar zu einer Stellungnahme (Linkziel vom BR entfernt, Anm. d. Red.) nötigte, wurde der Experte statt mit seinem richtigen Namen Messerschmid als Wasserschmid in der Bauchbinde vorgestellt. Auch gut, Meedia hat das Bildschirmfoto.

Zuletzt gab es einen Lapsus, als eine Mitarbeiterin auf eine Meldung des Postillion hereinfiel und damit auch in diesem Blog Fragen aufwarf.

 

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