Erstmals gibt es im Bundestagswahlkampf 2021 drei Kanzlerkandidaten, die gemeinsam im Fernsehen um Stimmen kämpfen. Die Sender sekundieren und machen aus dem Duell ein Triell.
Der gehörnte Ehemann, der beleidigte Junker, der betrogene Adlige: Wer kennt sie nicht, die zurückgewiesenen, in Ehre und Stolz verletzten Herren, die im Morgengrauen auf einer nebligen Wiese Vergeltung suchten und sich daher mit krummen Pistolen oder Säbeln gegenüberstanden, bis einer fiel? So war das damals, wir kannten es als Duell.
Egal, ob man diese Form des Reputationsmanagements nun gutheißt oder missbilligt, sie ergab in ihrem starren Mechanismus Sinn. Er oder ich – einer wird überleben, der andere nicht. (Wenn Sie sich für Details interessieren, werden sie wie so oft umfassend in der Wikipedia informiert.)
Triell als Strategieproblem
Doch wie funktioniert dieses Prinzip eigentlich beim Triell, einem Begriff, dem man in diesem Bundestagswahlkampf nur schwer entgehen konnte (vgl. hier das ZDF stellvertretend für die großen Sender) – und den ich vorher nicht kannte. Wie ungebräuchlich das Wort ist, sieht man daran, dass es keinen Duden-Eintrag hat. (Stand: 17.9.21)
Okay, gestehen wir ein, dass sich auch das Duell weiterentwickelt hat und für alle Formen eines Zweikampfs verwendet wird, zum Beispiel im Sport. Dann wird auch ein Triell sinnvoll.
Aber dass sich drei Herren auf der nebligen Wiese mit altertümlichen Waffen triellieren, käme mir doch recht weit hergeholt vor. Mit welcher Motivlage wäre das zu begründen? Wurde einer der Herren von den zwei anderen herabgesetzt? Dann müsste der eine doch auf beide anderen schießen dürfen. Schwierige Fragen tun sich auf.
Gerade das Dreieck macht mir in der Anordnung Probleme. Wie Sie der Wikipedia im Eintrag zum Triell entnehmen können, gab es das so wohl auch nicht (bzw. nur im Film), sondern der Begriff stammt als Strategieproblem aus der Mathematik. Unter verschiedenen Annahmen zu Feindseligkeit und Schussfertigkeit der Teilnehmer werden Überlebenswahrscheinlichkeiten abgeleitet. Nicht ganz das, was im Fernsehen präsentiert wurde, aber das Wort beschreibt die Konstellation dreier Wettbewerber treffend und griffig.
Was geschieht bei vier Kandidaten?
Heben wir nun die Augen auf zum Horizont: So wie es keine großen Samstagabendshows mit 20 Millionen Zuschauern mehr gibt, verändert sich auch die politische Landschaft. Die Tendenz scheint von zwei großen sogenannten Volksparteien hin zu mehr kleineren Parteien mit nahezu gleichen Stimmanteilen zwischen 15 und 20 Prozent zu gehen.
Wenn wir wohlwollend die FDP neben CDU, SPD und Grünen zum Perspektivkreis zählen, muss die Frage erlaubt sein: Wie nennen wir künftig eine Kandidatenrunde mit vier Wettbewerbern? Quartell? Das existiert bislang nur als spanische Stadt.
P.S. Das Wort „Kanzlerkandidat*innen“ im Intro des ZDF-Schnipsels impliziert durch den Plural übrigens, dass mehr als eine Frau am Triell teilnimmt. Ich unterstütze das Anliegen des Genderns, Frauen in der Sprache sichtbar zu machen, muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass manche Lösungen zu ungenauen und damit irreführenden Aussagen führen.
Wie wäre es so: „Zwei Männer, eine Frau – im Triell treffen die drei Kandidaten aufeinander . . .“ Frau sichtbar, Text lesbar.