Für mich überraschend nannte die CDU einen Workshop Werkstattgespräch – ganz gegen den Trend. Warum entschied man sich für diese Variante?
Anglizismen sind medial und im Alltag auf breiter Front auf dem Vormarsch. Sporadische Gegenentwicklungen wie Klapprechner statt Laptop können daran so gut wie nichts ändern.
Manager lieben es, in Meetings mit den richtigen Buzzwords zu glänzen; für unsere mit ihrem Smartphone verwachsenen Kids ist Englisch praktisch Zweitsprache geworden. In der U-Bahn höre ich allmorgendlich Gesprächsfetzen oder ganze Unterhaltungen; Deutsche lieben es, ihre Kenntnisse im Gespräch mit Gästen unter Beweis zu stellen.
Sie sehen, der Mix klingt inzwischen ganz natürlich. So reden und schreiben wir. Umso mehr muss erstaunen, dass die CDU sich bei ihrer aktuellen großen Flüchtlingssituationsaufarbeitungsveranstaltung für ein ganz anderes Wording entschieden hat.
Das Werkstattgespräch über Flüchtlinge
Schaun Sie mal hier, zum Beispiel der Tweet von Landwirtschaftministerin Klöckner:
Die CDU veranstaltete am 10. und 11.2. nämlich ein Werkstattgespräch – s. Foto. Auch der offizielle Kalender bestätigt sowohl Ereignis als auch Begriff. Was sollen wir uns darunter vorstellen? Wie immer liefert die Wikipedia eine Definition:
Bei einem Werkstattgespräch handelt es sich um . . . eine Veranstaltung, bei der in einem Gespräch, Dialog oder einer Diskussion bestimmte Themen abgehandelt werden, die besonders künstlerische und/oder wissenschaftliche Projekte betreffen.
Einen Satz weiter lesen wir:
Auch das etablierte Lehnwort Workshop betrifft . . . den gemeinsamen, praxisbezogenen Erfahrungsaustausch.
Ich rätselte nämlich kurz über diese Wiederauferstehung der 70er Jahre. Und freute mich dann über die Bestätigung: Sie wollten einen Workshop veranstalten, ihn aber nicht so nennen.
Nicht, dass ich das schlecht finde. Im Gegenteil. Überflüssige Anglizismen sollte man nach Kräften vermeiden. Es ist nur erstaunlich, weil es so gegen den Trend geht. Und das zum Preis von Sperrigkeit, wo man doch wenn möglich so geschmeidig wie möglich texten sollte – vier Silben gegen zwei.
Das ist einerseits mutig und charaktertreu (bzw. konzeptstark), andererseits altmodisch. Oder bildlich gesprochen: Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück.
Warum Werkstattgespräch?
Schließen sich die Fragen an, auf wen diese Entscheidung zurückgeht, und warum sie getroffen wurde. Will die Partei damit ihr konsersatives Profil schärfen? Möglich, aber hätte es gelitten, wenn sie das knackigere, deutlich geläufigere Wort Workshop verwendet hätte? Befürchtete man, der Workshop wäre als weiteres Indiz für die Sozialdemokratisierung der Partei wahrgenommen worden?
Oder war es ein persönlicher Wunsch der neuen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, von der man hört, ihr Englisch sei begrenzt? Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos antwortete sie auf Fragen in Englisch jedenfalls auf Deutsch. Natürlich, es gab einen Dolmetscher. Doch zuletzt zogen es deutsche Politiker vor, persönlich auf Englisch zu antworten, auch wenn ihre Kenntnisse nicht parkettsicher waren. Man erinnere sich an Auftritte von Kramp-Karrenbauers Parteifreunden Wolfgang Schäuble oder Günter Oettinger.
Der dritte mögliche Grund wäre die Tradition. Vielleicht hat man das Wort immer schon verwendet und es wieder getan. Ich habe zum Beispiel eine Veranstaltung aus dem Jahr 2013 gefunden, die als Werkstattgespräch bezeichnet wurde.
Notiz am Rande: Der Koalitionspartner SPD ging übrigens gleichzeitig klassisch in Klausur. Oder zeitgleich? Über den Unterschied lesen Sie hier.