Nicht plus ein gleich kein – nach dieser Regel lässt sich eine unschöne Verneinung im Deutschen straffen; die Aussage wird eleganter und klingt klarer. 

Oft und nicht ohne Häme und Hintersinn wird die Frage gestellt, welchen Sinn es hat, Latein zu lernen. Die Standardantwort lautet: Keinen – ist ja eine tote Sprache. Dann lieber französisch – oder besser gleich spanisch, die Weltsprache auf dem Vormarsch. Ich halte das nur für die halbe Wahrheit.

Natürlich spricht heute fast niemand mehr Latein. Aber in Latein lernt man nicht nur eine Fremdsprache, sondern auch die Struktur von Sprachen im Allgemeinen, inklusive der seiner eigenen. Man bekommt einen Sinn für Logik, Ökonomie und Ästhetik. Es ist der bessere Deutschunterricht, sozusagen. Dies geht bis hinunter in die Feinheiten, die einen Text verdichten, überzeugender machen, von gedanklicher Souveränität und Kraft zeugen – wie sich etwa an der Verneinung zeigt.

Dr. Dr. Erlinger schrieb unlängst in seiner Kolumne zu Gewissensfragen im Süddeutschen Magazin:

Was man in den Nachrichten sieht, stellt nicht eine Abendunterhaltung mit leichtem Schaudereffekt dar.

Richtig, bzw. falsch. Denn besser hätte er geschrieben:

Was man in den Nachrichten sieht, stellt keine Abendunterhaltung mit leichtem Schaudereffekt dar.

Schön schreibt, wer im Zusammenhang denkt

Nicht plus ein gleich kein – nach dieser schön-schlichten Formel gewinnt ein Satz nachrichtlich an Kürze, stilistisch an Eleganz und inhaltlich an Klarheit. Eine Kleinigkeit, kein Zweifel, die vom Autoren auch noch erfordert, über die Aneinanderreihung der Worte hinaus im inhaltlichen Zusammenhang zu denken. Vielleicht bleibt sie deshalb häufig unbeachtet. Auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx verwendet im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe vom 28.7.2011) die unschöne Verneinung – und er kann Latein:

München braucht nicht eine Kirche, in der anything goes gepredigt wird.

Sie ahnen, was besser gewesen wäre – nämlich dass München keine Kirche des anything goes braucht.

Wie verbreitet die Nachlässigkeit ist, zeigt ihre Häufigkeit in den Medien. Am Wochenende fand ich sie noch einmal in der Süddeutschen, diesmal auf der Titelseite der Ausgabe 30./31.7., Spaniens Ministerpräsident gibt Neuwahlen bekannt. In dem Artikel heißt es in der zweiten Spalte,

der seit 2004 regierende Zapatero hatte bereits im April angekündigt, nicht ein drittes Mal kandidieren zu wollen.

Ah, er wollte also kein drittes Mal kandidieren. Merken Sie, wie das entscheidende Quentchen Deutlichkeit hervortritt?

Mein Dank gilt meiner ersten Lateinlehrerin Frau Mertens, die mir – neben vielem anderen – in der siebten Klasse beibrachte, dass nicht eine zu keine zusammengezogen wird.

2 Responses to Schöner verneinen: Sag einfach nur kein
  1. Ich glaube, Lehrerinnen (und Lehrer) machen sich nicht klar, welche ihrer oft beiläufigen Bemerkungen den nachhaltigsten Eindruck bei ihren Schülern hinterlassen. Als ich irgendwann anfing, meine Aufsätze mit Ausdrücken in Anführungszeichen zu spicken, sagte mir meine Deutschlehrerin: “Anführungszeichen dienen dazu, kenntlich zu machen, dass man eigentlich nicht meint, was man sagt. Also schreib lieber gleich, was du wirklich meinst.” Ein nie vergessener, nützlicher, oft angewendeter Ratschlag.

  2. Auch schön, den werde ich mir merken. 🙂
    Was Fr. Mertens (und ihren Mann, der ihr als Lateinlehrer nachfolgte) angeht: Die beiden kultivierten regelrecht den Wettstreit um die gelungenste Übersetzung, indem Versionen verlesen und verglichen wurden – ich vermute, dass sie in einem größeren Zusammenhang einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf meinen Beruf bis hin zu diesem Blog hatten.


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