Am 1. Juli fiel die Wehrpflicht. Mir ihr ging auch ein spezieller Wortschatz, der alle Eingezogenen geprägt hat und von ihnen in die ganze Bevölkerung getragen wurde. Eine sprachorientierte Erinnerung zum Jahresende in 15 Stichworten.

(30.11.2011) In einem streng hierarchischen System aus Befehl und Gehorsam muss Sprache knapp sein, die Anweisungen verständlich, der Ton rau. Die Wehrpflicht erschien nicht wenigen Eingezogenen so sinnlos wie der tägliche Dienst – idealer Nährboden für Sarkasmus und Spott, um die Bedingungen erträglich zu machen. Und schließlich braucht es einen Überbau aus Vorschriften, die in bester deutscher Behördenmanier jeden erdenklichen Einzelfall sachlich korrekt wiedergeben und regeln. 15 Beispiele von A-Z:

1. Anschiss: Lautstarke Zurechtweisung durch einen Vorgesetzten vor Kameraden.

2. Barras: Synonym für Militär, Bundeswehr, Wehrpflicht.

3. Biwak: Zeltlager auf einem Truppenübungsplatz, meist verbunden mit nächtlichen Übungen. Basis für ein schönes vokalreiches Verb: biwakieren. Akronym für „Bundeswehr im Wald außer Kontrolle“, „Besonders im Winter arschkalt“ und „Bekloppte Idioten warten auf Krieg“.

4. Diszi: Kurzform für Disziplinarmaßnahme, wie -> Anschiss, aber mit Strafe.

5. Formalausbildung: Grüßen, stehen, gehen, kurz: alle Verhaltensanweisungen, die ein Soldat zum täglichen Überleben braucht.

6. Gerödel: Ausrüstungsgegenstände am Mann (Helm, Gewehr, Klappspaten etc.) Aufrödeln heißt Ausrüstung anlegen, abrödeln ablegen. Kein Dudeneintrag.

7. Innere Führung: Hochtrabender Name für den Soldaten als „Staatsbürger in Uniform“. Dabei ging es um die Menschen- und Freiheitsrechte des Einzelnen gemäß Grundgesetz, die auch während des Wehrdienstes mit seinen Einschränkungen erhalten bleiben sollten.

8. Musterung: Medizinischer Eignungstest für Wehrpflichtige. Tauglichkeitsgrad fünf (untauglich) war das erstrebenswerte Ziel, vier (bedingt tauglich) die Höchststrafe.

9. Pommes: Rangabzeichen in Form goldgelber Stäbchen auf den Schulterstücken eines Gefreiten. Zwei Pommes kennzeichnen den Obergefreiten, drei den „Adidas-Gefreiten“ (Hauptgefreiten), fünf die „Pommesbude“ für den Oberstabsgefreiten.

10. Spieß: Scherzhafte Bezeichnung für den Kompaniefeldwebel, die sog. Seele oder Mutter der Kompanie. Immer für einen -> Anschiss gut.

11. Stubenreinigung: Stressveranstaltung vor dem Wochenende, deren Ergebnis ausschließlich vom Wohlwollen des Diensthabenden abhing.

12. Tannenbaum: Spöttische Bezeichnung für einen Vorgesetzten mit besonders vielen Orden und Rangabzeichen.

13. Urinkellner: Soldatisch für Zivi. Auch: KDVler.

14. Zentrale Dienstvorschrift: Regelungswerk für das Verhalten der Soldaten im Alltag, erlassen vom Verteidigungsministerium. ZDv 10/1 regelt die -> Innere Führung.

15. Zetti: Zeitsoldat. Zet zwei war die Alternative für alle, die keine Ambition hatten, aber mehr als den Grundwehrsold verdienen wollten, Zet zwölf die für alle, die an einer Bundeswehrhochschule studierten. Die Zahl hinter dem Zet bezeichnet die Jahre, für die man sich verpflichtete.

So weit, so nostalgisch. Natürlich leben die Begriffe weiter – es gibt ja noch die Berufssoldaten. Aber ihre Bedeutung wird zurückgehen. Sie möchten sich ausführlich über die Soldatensprache informieren? Hier findet sich eine ausführliche Sammlung einschlägiger Begriffe der Wikipedia.

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