Trans ist an und für sich eine harmlose Vorsilbe. Nur im Zusammenhang mit einer Minderheit finden wir in Medien ein fröhliches Durcheinander. Was heißt das für Leser und Texter?

Sie alle kennen Transpersonen, jene Wesen, die als Mann oder Frau geboren wurden, sich aber anders fühlen. Inhaltliche Details zu diesem Konzept finden Sie wie gewohnt ausführlichst in der Wikipedia. In diesem Beitrag geht es dagegen darum, wie man die Bezeichnung dieser Personengruppe schreibt. Dazu habe ich nämlich aktuell mehrere und teils eigenwillige Schreibweisen gefunden. Zum Beispiel hier bei Ntv:

Bildschirmfoto der Schreibung trans*Personen

Trans*personen oder Transpersonen – das ist hier die Frage (© Bildschirmfoto)

 

Trans: mal groß, mal klein

Zur Vorzeile müsste man erstmal festhalten: Selbst wenn man der Auffassung ist, trans sei ein Adjektiv, steht es am Anfang einer Zeile. Und dort wird im Deutschen im Allgemeinen groß begonnen. (So wie Substantive auch groß geschrieben werden. Eine der Ausnahmen, die sich stillschweigend durchgesetzt hat, ist das iPhone, das eigentlich ein Iphone ist.)

Daher lautet meine erste Frage: Warum die Kleinschreibung am Zeilenanfang? Soll sie signalisieren, dass Transpersonen sich selbst diese Bezeichnung gegeben haben,  quasi wie einen Eigennamen als Ausdruck ihrer Selbstbestimmung? Das mögen sie gern so halten. Nur wäre dann die Frage, warum die Redaktion das so übernommen hat? Sie wäre frei, sich für eine rechtschreibkonforme Schreibung zu entscheiden.

Im Artikel finden sich das kleingeschriebene Adverb trans*feindlich, sodann trans*phobe Hassverbrechen und die Substantivversionen Trans*Menschen und trans*Personen, also einmal groß, einmal klein. Dem Autor scheint selbst zu schwanen, dass der geneigte Leser nicht nur angesichts der abstrakten Begriffe Aufklärungsbedarf hat. Er fügt daher als Inhalts-, aber auch Schreibweisenerklärung ein:

Der Oberbegriff trans* versammelt Menschen, die bei ihrer Geburt einem Geschlecht zugeordnet wurden, mit dem ihre Geschlechtsidentität nicht übereinstimmt. Das Sternchen dahinter soll alle Geschlechter mit einschließen, unabhängig, ob sich die Person als männlich, weiblich oder außerhalb der binären Geschlechterordnung identifiziert.

Okay, das Inhaltliche lassen wir mal so stehen, darüber sollen sich die Biologen mit den Soziologen streiten. Was ist mit den Schreibungen?

Trans im Duden

Der Duden sagt zu trans, dass es sich um eine Kurzform für transgender handelt. Als Beispiele nennt er:

  • ich bin, lebe transgender
  • sich als transgender bezeichnen, definieren
  • transgender Personen, Lebensweisen

Etymologisch, also von der Wortgeschichte her, geht die Bedeutung der Silbe trans weiter. Sie stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „jenseits; über; über – hin“. Denken Sie an den Transport, die Transzendenz oder die Transaktion.

Was in diesen Beispielen auffällt: Die Silbe Trans- verschmilzt mit dem Wortstamm zu einem Wort. In keinem der Beispiele finden Sie einen Asterisk (wie das Sternchen offiziell heißt, das fürs Gendern benutzt wird und lt. Duden nicht den Charakter einer Norm hat). Und es wird auch nicht wie ein Adjektiv klein und getrennt davorgestellt, also zum Beispiel trans Port. Mir leuchtet nicht ein, warum die Schreibung nicht analog bei den Transpersonen so gehen sollte?

Trans in einer Verlagsvorschau

In einer der Vorschauen des Hanser-Verlages auf das Herbstprogramm, genauer der von Hanser blau,  fand ich kürzlich ebenfalls mehrere Schreibweisen, darunter auf Seite 14 diese: trans Menschen. Das soll vermutlich adjektivisch gemeint sein. Man kennt das von anderen Zwittern wie super oder top. Nach meiner Erfahrung werden sie aber meistens mit einem Substanstiv verschmolzen, die adjektivische Schreibung sieht man wesentlich seltener; sie hat sich eigentlich nie durchgesetzt. Topqualität ist gebräuchlich, top Qualität dagegen nicht. Man spricht (und schreibt) vom Supermodel, nicht vom super Model. Insofern wundere ich mich, dass man sich für diese Variante entschieden hat.

Vor allem überrascht, dass es im Absatz darüber noch heißt: „Was bedeutet es, in einer transfeindlichen Gesellschaft trans zu sein?“ So finden wir auf derselben Seite zwei Schreibungen nebeneinander. Auf der Folgeseite 15 heißt es dann trans Personen und trans Athlet:innen. Beworben wird dort ein Buch mit dem Titel „Die Transgender-Frage“, also in einer zusammengesetzten Schreibung.

Das Nebeneinander kann den Leser nur verwirren und verunsichern. Ob es ihn für das Anliegen dieses Personenkreises einnimmt, ist noch eine andere Frage.

Wo bleibt die pragmatische Lösung?

Ich bin kein rechthaberischer Rechtschreibritter. Nur – meine Kunden verlangen in der Produktion beides: Sie wollen in ihren Veröffentlichungen zeitgemäß erscheinen, und das heißt inklusiv: Alle sollen sich angesprochen fühlen. Gleichzeitig wollen sie die Sicherheit in der Rechtschreibung. Dafür wäre eine praktikable Lösung wünschenswert, die beiden Anforderungen entspricht. In der gegenwärtigen Praxis kann ich sie nicht erkennen; ebensowenig verstehe ich, warum man sich nicht auf einen praktikablen Kompromiss verständigen kann. Hat man soviel Angst vor einem Shitstorm?

4 Responses to trans Person, Trans*person, Transperson – wie denn jetzt?
  1. Vielleicht zur Erhellung ein Beispiel. Das Adjektiv “lila”: Ich habe mir ein lila Rüschenhemd gekauft (nicht: Lilarüschenhemd). Das ist aber ein schöner, satter Lilaton (nicht: lila Ton)! Es gibt also durchaus immer wieder “so und so”.

    Bei “trans”: Sie ist eine trans Frau (sie ist trans). Das Transgesetz soll geändert werden (das Gesetz über Transidentität; denn das Gesetz selbst ist natürlich NICHT trans).

    Übrigens kann man natürlich auch ein super Model sein. Wenn man nämlich gut ist in dem, was man da macht. 😉 Dafür gibt es dann eventuell sogar extra Beifall (für alle anderen nicht). Oder Extrabeifall (der stärker ausfällt als bei den anderen).

    • Vielen Dank, Hannes. Das Beispiel mit lila leuchtet mir ein, die Fälle mit extra und super kann ich nachvollziehen, würde sie aber als nicht gebräuchlich einstufen. In beiden würde ich zu den Schreibungen Extrabeifall und Supermodel tendieren. Das gilt auch für die trans Frau – möglich, aber für mein Sprachempfinden nicht anders als das Transgesetz oder die Transidentität. Wie würde man den adjektivischen Gebrauch klar von der Vorsilbe trennen können?

  2. Die Schreibung “trans Frau” soll vermutlich besondere Aufmerksamkeit wecken. Der “hetero Frau” oder “homo Frau” wird sie aber nicht zuteil. Auf mich wirkt diese Sonderformulierung altbacken, wie die “knusprig Köstlichkeit” aus der Mantel-und-Degen-Werbung für Hanuta.

    • Das ist ein interessanter Gedanke, Hjalmar, den ich bisher übersehen hatte. Angesichts der neuerdings auftauchenden „People of Color“ oder der „Schwarzen Menschen“ (schwarz groß) scheint mir das plausiblen. Denn diese Formulierungen bewegen sich ebenfalls außerhalb jeder Rechtschreibnorm und könnten dem Motiv der Aufmerksamkeit dienen (allerdings wohl auch dem Selbstbestimmungsgedanken).


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