Der Mai ist fast vorbei – Zeit für eine weitere Ausgabe der Rubrik Headline-Lieblinge. Hier sind meine Top-3-Funde des Monats. Allen voran Aldi und seine Haltung von und zu Tieren.

Aldi-Display mit doppeldeutigem Wortspiel zu Haltung

Aldi-Display (in München): Haltung transportiert Moral und Sachaussage (© Bg)

Die besten Wortspiele sind die mit Aussage. Was ich damit sagen will: Sie werden nicht allein des Wortspiels, also des Witzes wegen gemacht, sondern treffen auch eine inhaltliche Aussage. Bevor ich Sie wegen allzu abstrakter Darstellungen verliere, nenne ich wohl besser ein Beispiel.

1. Tierwohl ist eine Frage der Haltung

hat sich aktuell Aldi als Zeile für seine Display-Werbung in und vor seinen Filialen einfallen lassen – siehe Bild oben. Das finde ich sehr gelungen, denn die Haltung

  • bezeichnet hier einmal den populären moralischen Begriff und beansprucht ihn für sich
  • und zweitens die Lebensumstände der Tiere.

Dazu ist es noch unaufdringlich. So kann man es machen – locker, spielerisch und doch ernsthaft. Möge es helfen, die bedrückenden Bedingungen der Zwei- und Vierbeiner in Ställen und Hallen zu verbessern. Aldi ist übrigens schon länger gut – hier nochmal der Link zur Bundestagswahlwerbung.

2. Pop Gun

fiel SZ-Schreiber Andrian Kreye als Überschrift zu seinem Artikel im Feuillleton vom 19.5.22 anlässlich des Starts von Top Gun ein,  der diese Woche in die deutschen Kinos kam. Man fragt sich, ob er damit den Filmtitel persifliert – oder das buttrig-salzige Kinonaschwerk. Ich neige zu erstem, mag aber auch die Idee, dass es das andere sein könnte. Wenn man dem Artikel folgt, geht die Tendenz leider klar zu Ersterem.

Kreye, der zu Beginn seiner Karriere mal Kriegsberichterstatter war, stellt darin die hohen Produktions- und Marketingkosten des Films den noch höheren Ausgaben für Bau und Unterhalt eines amerikanischen Flugzeugträgers gegenüber und schlägt sodann den Bogen zu den bescheidenen Mitteln, die der Ukraine für ihren Kampf gegen die Russen und die öffentliche Darstellung desselben zur Verfügung stehen. Subtext: Eigentlich müsste es genau andersherum sein. Was mich an eine Unterhaltung kürzlich auf einer Party erinnert, in der mit großer moralischer Ernsthaftigkeit erörtert wurde, ob man während des Ukraine-Kriegs ruhigen Gewissens in Urlaub fahren dürfe. Aber die Überschrift ist wirklich gelungen.

3. Katar – ein Land gibt Gas

Ein Kalauer – und das auf einem Blatt, das sich als Nachrichtenmagazin versteht. Da war ich erstaunt, aber auch erfreut. Als ich die Titelzeile des Stern der Gattin vorlas, musste sie sogar lachen. Geht doch! Keine Ahnung, ob sich hier in der Ausgabe 21/22 schon das Schaffen des neuen Chefredakteurs Gregor Peter Schmitz auswirkt, auf jeden Fall ist der Mix aus wörtlicher und übertragener Bedeutung rund: Einmal erhalten wir einen Energieträger aus Katar, zum anderen beeilt sich das Land im Entwicklungstempo, auch wenn manches noch zu wünschen übrig lässt. Darüber äußert sich gewohnt kritisch der Stern, nehme ich an, ich würdige hier nur den Titel. Beides kommt in der Schlagzeile zum Ausdruck  – top. Abgesehen davon erlaube ich mir hinzuzufügen, dass dem sehr ernsthaften, oft besorgten und nachdenklichen Blatt ein bisschen Humor gut zu Gesicht steht.

Sie fragen sich, warum ich Ihnen all das erzähle? Nun, ich meine (nach wie vor), dass Journalisten und andere Texter als eins der obersten Gebote berücksichtigen sollten, ihre Leser keinesfalls zu langweilen. Eine gute Headline bietet die einmalige Gelegenheit,

  • die Neugier zu wecken,
  • Spannung zu erzeugen,
  • zum Lachen oder Nachdenken zu bringen,
  • innezuhalten,
  • die Aufmerksamkeit auf einen Artikel zu lenken,
  • eine Information zu vermitteln.

In meiner täglichen Praxis sowohl als Leser als auch Blattmacher zieht viel Belangloses, Braves, Angepasstes, PR-sprechiges an mir vorüber. Und dann bin ich umso froher, wenn ich in Medien und Öffentlichkeit Inspiriertes, Geistreiches, Originelles, Frisches, Witziges finde.

Die Zeit vergeht – die letzten Headline-Lieblinge kürte ich im Oktober.

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