Ein weiteres Mal tut sich die Gesellschaft für deutsche Sprache mit ihrer Wahl zum Wort des Jahres keinen Gefallen. Der Sieger geht in Ordnung, aber dann auf Platz 3: Pflexit. Wie das?
Die Wahl zum „Wort des Jahres“ ist ja schon länger eine obskure Veranstaltung. Dieses Jahr gewann „Wellenbrecher“ – okay, Corona rules. Warum ich diesen Beitrag schreibe: Auf Platz drei platzierte sich das Wort „Pflexit“, ein Kofferwort gebildet aus „Pflege“ und „Exit“. Das verkündete die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) kürzlich in einer Pressemitteilung. Mit dem Begriff soll „das gesellschaftliche Problem des wachsenden Pflegenotstands in Deutschland“ beschrieben worden sein.
Nur dass ich das Wort überhaupt nicht kenne. Sie? Und dann Platz 3 beim Wort des Jahres?
Machen wir den Google-Test und prüfen die Treffermenge: 22.700 Suchergebnisse (Stand 17.12.21). Das ist wenig. Drei Snippets, einer vom NDR, einer von Bild, dann die Hildesheimer Presse, ein Regionalblatt – s. Bildschirmfoto. Wenn Sie Pflexit auf einer großen Nachrichtenseite wie der Tagesschau suchen, finden Sie nur einen Eintrag – den über die Platzierung beim Wettbewerb zum Wort des Jahres. Wie – mehr haben sie nicht?
Vergleichen Sie mal mit dem Sieger: Der Wellenbrecher kommt bei Google zum selben Zeitpunkt auf 1.040.000 Ergebnisse. Okay, darin sind auch das Festival und die Einrichtungen zum Küstenschutz enthalten – nicht nur die Corona-bezogene Metapher. Und doch – es ist die 50-fache (!) Treffermenge.
Ich habe schon öfter gesagt, dass solche Wahlen nur dann glaubwürdig und relevant sind, wenn die Ergebnisse auch eine bestimmte Größenordnung abbilden. Ohne hohe Verbreitung kann ein Wort nicht so hoch platziert sein. Oder umgekehrt: Wenn das Ergebnis so aussieht, ist es subjektiv verzerrt, willkürlich, beliebig und womöglich interessengeleitet. Kurz: Wenn eine Entscheidung nicht untermauert werden kann, macht man sich angreifbar.
Das Kuriose: Genau das will die GfdS. Sie schreibt (unter demselben Link wie oben, bitte scrollen):
Traditionell suchen die Mitglieder des Hauptvorstandes und die wissenschaftlichen . . . Mitarbeiter . . . nicht nach den am häufigsten verwendeten Ausdrücken, sondern wählen solche, die das zu Ende gehende Jahr in besonderer Weise charakterisieren.
Sie wollen es also so – abgekoppelt von der Realität eine eigene Welt konstruieren. Dann ist ihnen nicht zu helfen. Aber akzeptieren kann man eine so getroffene Entscheidung vernünftigerweise nicht.
Schon in den vergangenen Jahren gab es aberwitzige Entscheidungen wie Heißzeit (2018), Respektrente (2017), Flüchtlinge (2015) oder auch, besonders bizarr, Lichtgrenze (2014).
Der Pflexit selbst reiht sich in andere Kofferworte ein, die auf -exit gebildet wurden.
[…] mehr Blogbeiträgen über das Wort des Jahres und das Unwort des […]