Die Angst, Englisch würde Deutsch verdrängen, ist übertrieben. Die frühere Vorherrschaft des Französischen ging auch wieder. Standortbestimmung in zwei Akten.

I: Napoleons Einfluss auf das Deutsche

Mein Vater sortiert gerade die Sachen meiner verstorbenen Mutter aus, darunter ihre Bücher. So kam ich kürzlich in den Besitz ihres Exemplars der „Buddenbrooks“. Falls Sie den Roman nicht kennen: Der junge Thomas Mann schrieb darin über den Niedergang einer Lübecker Kaufmannsfamilie.

Doch von der Handlung soll hier heute nicht die Rede sein, sondern von der Form. Die Handlung beginnt im 19. Jahrhundert, die Besatzung Deutschlands durch Napoleons Truppen ist etwa eine Generation her. Und wissen Sie was? Die Dialoge sind durchsetzt von französischen Brocken. Das schien damals – Achtung – en vogue zu sein. Heute würden wir auf Englisch sagen: in, oder hot, oder trendy.

Was lernen wir daraus?

  1. Die Invasion der englischen Sprache, die wir seit Jahren erleben, auch und gerade in den Medien, ist nicht die erste. Sie wird auch nicht die letzte sein.
  2. Die Angst, das Englische würde das Deutsche ersetzen, ist übertrieben. Deutsch hat als Sprache das Französische überlebt.
  3. Das Französische ging wieder, bis auf Restspuren. Moden verlaufen in Wellen, sie kommen und gehen. Wahrscheinlich wird es in ferner Zukunft eine andere Lingua Franca geben.
  4. Plötzlich erinnere ich mich an die Grundschulzeit meiner Tochter: Vorausschauende Eltern schickten ihre Kinder schon damals in den Chinesischunterricht. Ich fand das übertrieben. Aber vielleicht wird es ja chinesisch. China expandiert – militärisch, wirtschaftlich, außenpolitisch.
  5. Geschichte ist ein interessantes Fach, aus dem man für die Gegenwart lernen kann. Vielleicht sollte man sich öfter mit ihr beschäftigen. Das könnte mancherorts den Panikfaktor senken, weil sie einordnet und durch die Einordnung relativiert.

Englisch? Nutzer geht doch auch.

II. Gestern lange Telko mit einem Kunden, Jahresgespräch. Darin wurden auch die Tracking-Ergebnisse analysiert. Vorher gingen wir noch einmal alles durch. Da sagte die junge Kollegin: „Ich schlage vor, wir sagen Nutzer statt User – ist klarer.“ Ich war verblüfft, aber auch erfreut, denn gerade die Sprache des Internets ist voller Anglizismen – vgl. Tracking.

Es besteht Hoffnung, dass sich bei den Anglizismen die Vernunft durchsetzt. In Form eines Pragmatismus, wie ich ihn als Texter schon lange  anwende: Wenn es eine gute, also verständliche, flüssige, deutsche Version eines Wortes gibt, nutze ich sie. Wenn nicht, darf es gern das Lehnwort sein. Zum Beispiel googlen, auch wenn ich in dem Fall die Stellung des le für das gesprochene Deutsch irritierend finde, weil es mich an Schwaben erinnert. Bei sharen oder committen sieht das schon anders aus.

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