Wenn es nach der Berliner Senatsverwaltung geht, sollen die Mitarbeiter dort nicht mehr schwarz fahren sagen. Wie sinnvoll und praktikabel sind solche Empfehlungen?

Das Bild illustriert, dass die Farbe schwarz auch positiv wirken kann.

Nicht gleich schwarz sehen: Die Farbe steht auch für Würde und Eleganz. © Pixabay Image by Pexels from Pixabay

Black is beautiful – das war vor vielen Jahren der Slogan der Jungen Union. Vielleicht erinnern Sie sich. Heute kann man das nicht mehr sagen. Das Wort schwarz ist im Begriff, anrüchig zu werden, und zwar aufgrund eines Phänomens, das sich im Politjargon „struktureller Rassismus“ nennt. Damit wird der Umstand beschrieben, dass in Gesellschaften mit einer Mehrheit hellhäutiger Einwohner die dunkel pigmentierten grundsätzlich benachteiligt sein sollen – und daher mit besonderem Fingerspitzengefühl zu behandeln sind.

Um diesen Schiefstand zu bekämpfen und „Chancengerechtigkeit“ herzustellen, haben sich Institutionen auf den Weg gemacht. Dazu gehört die Berliner Senatsverwaltung für Antidiskriminierung, die kürzlich einen 44-seitigen Sprachführer herausgegeben hat. Er soll den städtischen Angestellten dabei helfen, Schreiben zu verfassen, bei deren Lektüre sich kein Leser beleidigt oder zurückgesetzt fühlen könnte. Geschlecht, Hautfarbe, Religion – egal, welcher Diskriminierungsgrund in Betracht kommen könnte, es soll sprachlich neutral formuliert werden.

Das Frollein ist weg

Mir leuchtet das Beispiel mit dem Fräulein auf S. 5 des Leitfadens ein. Anfang der 70er gab es noch drei Anreden: Herr, Frau, Fräulein. Doch das Fräulein als Bezeichnung für eine unverheiratete Frau wurde bald darauf als unzeitgemäß empfunden und nicht mehr verwendet. Folge: Es starb aus. Behörden beschlossen, die Anrede nicht mehr zu verwenden, weil sie als unangemessen und ausgrenzend empfunden wurde. Schlussfolgerung: In dem Maße, in dem sich die Sitten und Gebräuche ändern, ändert sich die Sprache.

Schwarz in der Sprache

Was hat das nun mit der Stadt Berlin zu tun? Denken Sie an das Schwarzfahren. Lt. Leitfaden ein zu vermeidender Begriff. Angeregt wird stattdessen auf S. 17 die Formulierung „ohne gültigen Fahrschein fahren“. Mal abgesehen davon, dass Behördenmitarbeiter naturgemäß zu der zweiten Version neigen, frage ich mich, wie man sich vom Wort Schwarzfahren beleidigt oder benachteiligt fühlen kann? Selbst dann, wenn man schwarzer Hautfarbe ist. Das eine hat in der Bedeutung nichts mit dem anderen zu tun, wie man hier nachlesen kann.

Denken wir das weiter: Was wird aus stehenden Begriffen wie Schwarzer Tag (hier als Schwarzer Donnerstag), der bezeichnet, dass man Pech hat (und eine Verkürzung eines rabenschwarzen Tags ist)? Was aus Schwarzarbeit? Damit ist doch nicht die Beschäftigung von Afrikanern gemeint, sondern illegale Beschäftigung jeder Arbeit, vorzugsweise von Osteuropäern.  Oder was mit Schwarz ärgern, eine Wendung, die doch nur bildhaft heftigen Ärger beschreibt. Schließlich: Was soll aus dem armen Pessimisten werden, der nicht mehr schwarz sehen darf? Muss er künftig mit seiner Vorliebe aus unserer metaphernreichen Sprache verschwinden? Niemand würde das jemals auf diese Bevölkerungsgruppe anwenden.  Schwarz steht für Dunkles, Unheimliches, Unglückliches, kurz: Negatives. Es symbolisiert

Positiv: Unbezwinglichkeit, Erneuerung, Würde, Wiederkehr, Macht, Ernsthaftigkeit, Exklusivität.

Negativ: Überdruss, Zwang, Hoffnungslosigkeit, Verlassenheit, Tod, Zerstörung, Stillstand, Trauer, Sünde, Verlust, Furcht, Bedrohung, Finsternis

(Quelle) Ich ergänze Pech.

Wo ist der Zusammenhang mit Menschen dieser Hautfarbe? Will man unterstellen, dass wir die negativen Eigenschaften auf Leute mit schwarzer Hautfarbe übertragen? Ich hoffe nicht. Wie schrieb die FAZ so treffend: Wo kein Rassismus ist, wird er eben erfunden.

Der Ton macht die Musik

Das Argument, jemand könnte sich durch ein Wort oder Bezeichnung auf den Schlips getreten fühlen, leuchtet mir ein. Zweifellos macht der Ton die Musik. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das bei den eben genannten Beispielen gilt. Stattdessen muss ich befürchten, dass eine übersensible Minderheit in vorauseilendem Gehorsam die Freiheit im sprachlichen Ausdruck einschränkt. Man müsste m.E. differenzieren, und zwar nach konkreten Bezügen, die mit den angesprochenen Gruppen in einem Zusammenhang stehen, und allgemeinen Redewendungen, die nicht mehr als das Wort mit der Gruppe gemeinsam haben.

Fazit: Nicht so schwarz sehen

Ich fürchte, der Leitfaden geht an der Praxis vorbei. Die Umgangssprache lässt sich nicht durch Verordnungen oder Empfehlungen verändern. Sie entsteht unter zeitbezogenen gesellschaftlichen Bedingungen (vgl. das Frollein), sie wird genutzt, weil sie griffig und treffend ist. Als Texter würde ich raten, an die Zielgruppe zu denken. Erlaubt ist, was diese sagt.

Wie so oft ist gut gemeint nicht gut gemacht. Mit diesem Leitfaden wird des Guten zuviel getan. Ich meine, dass es sinnvoll ist, nach der Wortherkunft zu fragen. Obwohl ich befürchten muss, dass in dieser bildungsfernen Zeit, wo gerade Sprache nur nach ihrer Erscheinung betrachtet wird, gerade diese Frage nicht mehr gestellt wird (vgl. Greuel vs. Gräuel in der Rechtschreibreform). Wäre es nicht traurige Realität, könnte man von schwarzem Humor sprechen.

Hier können Sie die Drucksache 18/3015 herunterladen. (Runtersrcollen, 2. PDF-Dokument „Leitfaden“)

Eine eng verwandte und sehr kitzlige Frage ist das Gendern.

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