Wenn Sie ein Nickerchen machen oder Löcher in die Luft starren, dürfen Sie dazu jetzt niksen sagen, sagen die Medien. Kurze Bestandsaufnahme, auch neuer Wörter 2019.

Niksen ist 2019 ein Trendwort

Niksen Sie schon oder entspannen Sie noch? © Lisa Runnels/Pixabay

Mir ist ein neues Wort vor die Flinte gekommen. (Verzeihen Sie die martialische Metapher, und richtig, in der heutigen Zeit wäre die Formulierung „Ich habe ein neues Wort  aufgespießt“ mit Blick auf vorherrschende Praktiken präziser, um im Bild zu bleiben.) Sie lesen richtig: Nicht Nixon (früherer US-Präsident), nicht Nixen (Wassergeister), sondern niksen. Das ist holländisch, Verzeihung niederländisch, wie man heute gehalten ist zu sagen, für

Nichtstun.

Tja. Da fällt mir hygge ein. Offenbar kann das bzw. der (und selbstverständlich mitgemeint auch die) Deutsche mit der Tätigkeit des Nichtstuns nicht viel anfangen und selbst kein Wort dafür zur Verfügung stellen. Stattdessen importieren wir Wörter aus Skandinavien resp. Benelux. Länder, die paradoxerweise auch eine strenge Arbeitsethik ihr eigen nennen, sich aber offenbar einen Rest spielerisch-kindlicher Lebenskunst bewahrt haben. Vielleicht liegt es auch am niedlichen Klang, dass sie zum Exportgut werden.

Niksen – Häufigkeit und Fundstellen

Jetzt, wo das Jahr zu Ende geht, wollte ich dem Trend hier noch kurz in meiner Neuwort-Sammlung ein Denkmal setzen. Nicht, dass mir was durch die Lappen geht. Google listet 467.000 Fundstellen auf (Stand 14.12.19), was ja schon mal was ist. Die SERP wird angeführt von üblichen Verdächtigen wie der Welt, der Süddeutschen, Ntv oder der Wikipedia.

So weit, so lahm. Denn irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass niksen die nächste Wortsau ist, die durchs Feuilleton- und Trenddorf getrieben wird. Haben Sie schon jemanden niksen sagen hören? Ich nicht. Meine Tochter chillt, aber viel weiter geht es sprachlich nicht.

Interessanter ist, dass niksen wie hygge nicht nur ins Deutsche Einzug gehalten hat bzw. hält, sondern auch ins Englische. Fundstellen sind der englische Guardian und die amerikanische New York Times. Scheint, als würde auch in diesen Kulturen die Arbeit zu hoch und das dolce vita zu gering geschätzt. Wobei andererseits in England die Kunst des Müßiggangs Bestseller wie Tom Hodgkinsons „How to be idle“ hervorgebracht hat.

Niksen und Neues 2019

Und mir fällt – in einem Nebengedanken – ein, dass ich geglaubt habe, irgendwann würde ein Kontakt zu Germanisten entstehen, wenn ich hier Wortforschung betreibe. Okay, Wortforschung ist vielleicht hochgegriffen. Aber mich zumindest bei der Erfassung neuer Phänomene im Deutschen engagiere. Weit gefehlt, nichts dergleichen. Sehen Sie? Seitdem glaube ich wieder an Filterblasen und Echokammern, oder, wie mein geschätzter Kollege Florian Wagner mit dem Lächeln langjähriger Erfahrung formulieren würde, Silos, wie sie sich gern über Jahrzehnte in Unternehmen und Institutionen zementieren. Vielleicht beschäftigen sich Germanisten mit Banalitäten wie niksen gar nicht?

Aktualisierung (15.12.19): Mein Urteil war vorschnell und ungerecht, ich muss und möchte Abbitte leisten. Kaum hatte ich veröffentlichen geklickt, las ich auf Ntv eine Meldung von der Uni Mannheim. Demnach hat man es sich am Leibniz-Institut zur Aufgabe gemacht, die Neologismen zu katalogisieren.

  1. Flugscham
  2. E-Scooter
  3. Plogging
  4. Smombing
  5. Zungenschrittmacher

– die Einträge für 2019 finden sich in einer Datenbank namens Owid. Niksen ist allerdings nicht dabei. Spricht für meine Medienthese. Doch vielleicht braucht das Wort für eine allgemeinere Verbreitung noch Zeit.

Mit diesen Erkenntnissen schicke ich Sie in die letzte Vorweihnachtswoche. Ich selbst wende mich nach getanem Blogeintrag einer meiner Lieblingsbeschäftigungen zu – ich tue jetzt nichts.

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