Wenn Sie als Redakteur als Ergebnis einer Übersetzung die fremd klingenden Wörter Erfolgreichster Film jemals vor sich stehen haben, sollten Sie handeln. Betrachtung und Lösungsvorschlag.
Wer mit offenen Augen durch die Straßen geht weiß, dass heute alles geht. Nachlässigkeit aller Orten, nur der AD kommt weiter bei 35 Grad in langen Hosen ins Büro, weil er den Standpunkt verteidigt, das kurze Beinkleid sei der schnellste Weg für den Mann, seine Würde zu verlieren. Auf dem Schulfest, am Buffet, in der U-Bahn: Stil hat einen schweren Stand, Eleganz ist schwer zu finden, die Augen beleidigende Plump- und Grobheiten herrschen vor, vor allem, wenn es wie jetzt warm ist.
In sozialen Netzen gilt das in verschriftlichter Form. Was Sprache angeht, zählt Ausdruck wenig bis nichts, entscheidend sei, dass man verstanden werde. Nur unsere Freunde in der Süddeutschen Zeitung leisten sich noch den Luxus, auf ihrer viel gerühmten Seite 3 und in Kommentaren Formulierungen bringen zu wollen, die man anderswo nicht liest. Das berichtet in gebotener Ausführlichkeit hinter der Bezahlschranke kress.de.
Dennoch (oder daher?) heute eine kleine Stilfrage.
Jemals: Der Fall
Auf Ntv fand ich eine Vorzeile über einem Artikel zu dem Hollywood-Spielfilm Avenger: Endgame, der kürzlich Avatar als erfolgreichsten Film aller Zeiten verdrängte. Sie lautet:
Erfolgreichster Film jemals.
Ich habe das oben im Bild markiert. Interessierte Leser können sich denken, wie ich beim Lesen die Augen verdrehte und die Stirn in Falten legte. Offensichtlich hat hier der Bearbeiter eine englische Meldung wörtlich übersetzt. Wahrscheinlich stand da im Original so etwas wie
biggest movie ever.
Das Problem und ein Vorschlag
An der Übersetzung sind zwei Dinge unschön:
1. Dass ever wörtlich übersetzt wurde.
2. Dass ever nachgestellt wurde.
Das Ergebnis ist eine ungebräuchliche Version. Wer spricht vom erfolgreisten Film jemals? Wenn ich übersetze, muss doch die Frage sein, was man typischerweise auf deutsch sagen würde. Zumal dann, wenn einem beim Überlesen auffällt, dass die Version, die man übersetzt hat (oder Google translate ausgeworfen hat, wird ja inzwischen auch oft benutzt), holprig klingt.
Die Antwort kann hier nur lauten:
aller Zeiten
Tipp: Die hohe Kunst ist es, in Zusammenhängen, auch kulturellen, zu denken. Und nicht am Wörterbucheintrag zu kleben. Meist hilft es, sich zu fragen, was wohl gemeint sein könnte.
Im Übrigen zeigt der Fall zwei weitere typische Zeichen unserer Zeit:
- Viele sprechen nicht so gut Englisch wie sie behaupten. (Manche schon.)
- Häufig verhindert die Angst vor Fehlern eine mutige eigene Entscheidung.
Und hier noch ein weiterer Fall vorauseilender Angst vor Fehlern – der gute alte Präsident.
P.S. Wenn Sie in der letzten Zeit einen Konflikt im Straßenverkehr erlebt haben, und sei er noch so klein, wissen Sie: Einsicht ist kaum zu erwarten. Reflexhaft ist immer der andere schuld. So wäre es wohl auch hier, bäte man den Redakteur um Auskunft. Ich höre schon einen Satz wie, alles Absicht, er habe bewusst amerikanisch klingen wollen. Am Ende ist alles Satire.