Wenn ein fabelhafter, prägnanter und erfolgreicher Markenname wie MyTaxi ohne Not zu Free now wird, gibt es nur eine Frage: Wie konnte das geschehen?

Free now ist eine schlechtere Idee als mytaxi

Launch der Marke Free now – vom Besonderen zum Belanglosen (Bildschirmfoto)

Manchmal entpuppt sich eine Mail als Monster – und wird dann Blogthema. So wie diese Woche: „Diesen Sommer wird mytaxi zu FREE NOW“, stand da ganz harmlos.

Ich konte es kaum glauben. Die beste aller Apps, nützlich, praktisch, genial – ruiniert sich selbst. Ich bin so enttäuscht. Was für eine Fehlentscheidung. Welch Jammertal! Free now – was soll das denn sein?

Nicht, weil es Englisch ist oder war. Geschenkt. Daran hat man sich gewöhnt, bzw. der Markenname MyTaxi bot kein Risiko, etwas misszuverstehen.

Sondern, weil sie sich verschlechtern, von konkret zu austauschbar. Von besonders zu belanglos.

Aber so ist ja allgemein der Trend – Verhüllung, Verallgemeinerung, hin zum Ungefähren. Dabei haben wir doch einen breiten Wortschatz geschaffen, um uns möglichst präzise ausdrücken zu können, um Dinge und Phänomene von einander unterscheiden zu können, das Wahrnehm- und Denkbare möglichst genau zu beschreiben. Aber das war früher, als noch die Aufklärung den Zeitgeist beherrschte, das ist jetzt nicht mehr in – s. zum Beispiel den Universalanspruch des Adjektivs gut.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel, wieder einmal von meiner zuletzt häufig vorgekommenen Tochter. (Mit ihr rede ich meist über diese Dinge.) In Musik hat sie gerade Soul als Stilrichtung durchgenommen. Als Musik der Schwarzen darf man Soul heute nicht mehr bezeichnen, weil das diskriminierend sei, die Lehrerin regte dunkelhäutig an. Nun sind aber Jamaikaner und Kubaner ebenfalls dunkelhäutig, keinesfalls aber schwarz. Dazu pflegen diese Länder andere musikalische Traditionen, nicht aber Soul. Insofern ist es ungenau, Soul als Musik dunkelhäutiger Menschen zu klassifizieren. Oder anders gesagt: Schwarz und dunkelhäutig bedeuten eben nicht dasselbe, sondern bezeichnen unterschiedliche Eigenschaften. Mathematisch gesehen ist schwarz eine Teilmenge von dunkelhäutig. (Meine Tochter ergänzt gern noch, Schwarze seien gar nicht ganz schwarz, woraufhin ich entgegne, wir würden als Weiße bezeichnet, seien aber keineswegs weiß, vielleicht blass, aber sonst . . .) Sie verstehen, worauf ich hinauswill.

Merkwürdige Zeiten. So werden Unterschiede eingeebnet. Und das gilt eben auch für Free now – die Alleinstellung, das das Einzigartige Kennzeichnende, das Wort Taxi verschwindet hinter einem lapidaren, nichtssagenden, weichgespülten Adjektiv wie frei. Frei für was? Oder frei von etwas? Frei von Sorgen und Nöten? Taxi frei? Frei für alles, was ich tun und lassen möchte? Hier die Antwort der Verantwortlichen in besagter Mail:

Die Marke FREE NOW steht für persönliche Freiheit, Mobilität im vollem Umfang zu nutzen, egal wo man sich befindet. Mit unserem Angebot als Multiservice-Provider wollen wir das möglich machen und Menschen kreative, schnelle und effiziente Lösungen bieten, um von A nach B zu kommen.

Als ob man das nicht unter dem Namen MyTaxi hätte tun können.

Warum ist denn Free now nun so schlecht, Kai?

Hinter dem, Achtung, Rebranding steckt also das Motiv, weitere Dienstleistungen anzubieten. Weiter schreibt man:

Unter FREE NOW wird es neben lizenzierten Taxis auch weitere Angebote geben, in Deutschland z.B. Mietwagen. Das Angebot wird je nach Land variieren. Kunden können mit der FREE NOW App den für sie passenden Service wählen. Damit erklärt sich auch die Namensänderung.

„Auch die E-Scooter-Marke hive wird perspektivisch in die App integriert“, heißt es einer flankierenden Pressemitteilung. Wenn Sie bis auf S. 2 weiterlesen, sehen Sie, dass Free now Teil des BMW- und Mercedes-Carsharing-Imperiums wird. BMW hat das unter DriveNow erfolgreich lanciert. Sie erkennen die Parallele – nur dass DriveNow besser ist, weil man erkennt, dass es sich um Fortbewegung per Auto handelt.

Dann klingt Free now so, als gäbe es etwas umsonst.

Was ich für das stärkste Argument halte: Es ist im Marketing das normalste der Welt, dass bei sog. Line-Extensions die ursprüngliche Marke, die nur für ein bestimmtes Produkt stand, auch auf andere Produkte übertragen wird. Denken Sie an BRAVO Hits, eine CD-Reihe, während BRAVO selbst eine Zeitschrift für Teenager ist. Oder Tempo, das anfangs nur für Papiertaschentücher stand, heute aber auch als feuchtes Toilettentuch vertrieben wird. Oder Kinderschokolade, das zunächst nur Schokolade in Stabform bezeichnete, nun aber auch in diversen Varianten angeboten wird – vom Ei bis zum Minibonbon. Nichts wäre einfacher gewesen, als MyTaxi auf andere Verkehrsträger auszuweiten, entweder durch Austausch des Taxis („MySharing“) oder indem man ein weiteres Hauptwort anhängt („MyTaxi Sharing“).

Free now könnte wertvolles Kapital vernichten

Ich fürchte auch, unterschätzt wird, wie lange es dauert und welchen Aufwand es bedeutet, eine Marke breit bekannt zu machen. Sie können das in der Politik erkennen, als neulich nach der Bekanntheit des CSU-Politikers Manfred Weber gefragt wurde. (Der Politiker wird hier beispielhaft als Marke interpretiert.) Sie erinnern sich – es ist dieser Herr, der in der Öffentlichkeit soviel Wert darauf legt, seine Tonsur zu verbergen . . . äh, EU-Kommissionspräsident zu werden. Die ernüchternde Zahl der YouGov-Umfrage lautete: 26 Prozent. Und das nach der Dauerpromotion in Funk und Fernsehen vor der EU-Wahl. Und dann wirft man bei MyTaxi dieses mühsam erworbene Kapital als Europas erfolgreichste Taxi-App nach zehn Jahren leichtfertig weg. Wie ich oben schon sagte: Ein Jammer.

Wie gut, dass es gelungene Ideen wie die von Aldi gibt.

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