Kennen Sie die Dunkelflaute? Nein? Dann lassen Sie das Licht der Erkenntnis und den frischen Wind der Neugier auf sich wirken. Warum das Wort so gut ist, erfahren Sie auch.
Jedes Jahr entstehen neue Wörter und werden durch Medien geprägt oder vervielfältigt. Im Rahmen politischer Korrektheit, plumper „Haltung“ statt intellektueller Schärfe und lausiger Übersetzung sind manche schwammig und abstrakt, andere dagegen kindlich und verniedlichend.
Nur selten kommt es vor, dass ein bildstarkes neues Wort geschaffen wird. Und dann hat ausgerechnet die sogenannte Energiewende uns eins beschert:
Dunkelflaute.
Wie taubstumm. Oder wie Blinker (statt Fahrtrichtungsänderungsanzeiger). Oder wie Gnadenbrot. Präzise. Konkret. Eindeutig. Unmissverständlich. Wirft ein Bild auf meine innere Leinwand. Sagt, was ist. Ich sehe Dunkelheit, und ich spüre Windstille.
Wie neu es ist, zeigt sich am Duden: Noch kein Eintrag. Es gibt erst 39.200 Treffer bei Google. (Beides Stand: 21.5.2019) Der Wikipedia-Eintrag erfolgte am 19.10.2016. Ich kam drauf, als ich Anfang dieses Jahres für einen Energieversorger den Geschäftsbericht produzierte.
Dunkelflaute: Seine Stärke
Natürlich möchte ich nicht ernsthaft im Dunkeln sitzen. Mir kommt es auf das Wort als solches an, und was es beschreibt.
Wolf Schneider, langjähriger Leiter der Gruner & Jahr-Journalistenschule, kennt drei Gruppen von Substantiven, die sich in ihrer Wirkung auf den Leser unterscheiden – sortiert nach abnehmendem Grad:
- Die bildlichen: konkrete Abbilder der Realität – Sonne, Blitz, Kran
- Die bildnahen: vertraute Zustände, Emotionen – Jubel, Trauer, Stolz
- Die bildleeren: abgeleitete, abstrakte Begriffe – alles auf -heit und -keit
Jetzt raten Sie mal, wo Sie die Dunkelflaute einordnen dürfen? Deswegen ist es ein gutes Wort, besser als z.B. Dunkelheit bei Abwesenheit von Wind.
Dunkelflaute: Bedeutung
Genau das bezeichnet das Wort übrigens: die gleichzeitige Abwesenheit von Sonne und Wind. Gern tritt dies Phänomen im Winter auf, sodass es anfangs kalte Dunkelflaute hieß. Doch warum sollten wir uns davor fürchten? Wie bei Ihnen kommt bei mir der Strom aus der Steckdose. Sobald wir alle konventionellen Kraftwerke abgeschaltet haben werden, kaufen wir einfach Strom in Frankreich und Polen. Okay, das war ketzerisch: Natürlich werden wir durch neue Entwicklungen wie Power-to-Gas die Schwankungen zwischen Angebot und Nachfrage ausgleichen können. Niemand muss im Dunkeln sitzen und frieren. Und wir gehen mit gutem Beispiel voran.
Zum Schluss fällt mir – in einer kleinen Albernheit – auf, wie hübsch die Dunkelflaute mit einer anderen Wortschöpfung der letzten Zeit kontrastriert: Der Heißzeit. Stark und originell, aber mit schmaler Anwendung ist auch das Feierbiest.