Bei der Wortwahl sollte der Texter immer an die Angemessenheit denken. Und nicht aufdringlich werden. Das Beispiel supergeil.

Supergeil kommt zu oft vor

Edeka-Prospekt (Ausriss der Titelseite): Ein Wort bis zur Einfalt

Jetzt reden sie alle über den Muttertagsspot, den man witzig oder beleidigend finden kann. Für beides finde ich Argumente. Das Votum der YouTube-User ist eindeutig: Fast 50.000 gesenkte Daumen gegen 10.000 Daumen hoch machen nach Adam Riese 16 Prozent Zustimmung bei 84 Prozent Ablehnung (Stand: 11.5.2019).

Wenn wir den Spot unter der Zielsetzung beurteilen, Gesprächsstoff zu liefern, muss man sagen, das Ziel wurde zu 100 Prozent erreicht. Kompliment! Der Preis scheint allerdings hoch. Ob so mehr Umsatz erzielt wird, ist fraglich. Ich höre von erbosten Mitmenschen, die auf absehbare Zeit keinen Fuß mehr in einen Edeka-Markt zu setzen gedenken. Damit wäre das eigentliche Ziel jedes unternehmerischen Handelns gezielt versenkt worden.

Die supergeile Beilage im Wochenblatt

Den Umsatz versucht die Edeka auf anderen Wegen anzukurbeln, zum Beispiel mit Prospekten, die regelmäßig meinem örtlichen Anzeigenblatt beiliegen. Auch kürzlich wieder. Ehrlich gesagt war ich von der Einsilbigkeit der Aussage überrascht. Fast jeder Preis war mit dem Adjektiv „Supergeil“ ausgezeichnet.

Nun gehört die Übertreibung zu den vornehmsten Mitteln der Werbung. Dass der Preiswettbewerb zwischen den Ketten es nötig macht, die Preise zu betonen und ihre Attraktivität zu überhöhen, liegt in der Natur der Sache. Die Frage ist nur, wie. Muss es wirklich supergeil sein – oder fällt mir vielleicht nochwas anderes ein? Ich fragte mich weiter, was wohl die Zielgruppe, also die Edeka-Kunden, zu dem Wort als solchem sagen würden. Und ich fragte mich drittens, ob sie sich wohl an die Ursprünge des Wordings (sorry, Fachsprech) aus dem Jahr 2014 erinnern können.

Supergeil begann 2014

Denn vor fünf Jahren begann die Kampagne. In einem Video tapst der Künstler Friedrich Liechtenstein u.a. mit ein paar Hupfdohlen neckisch durch den Laden. Der Spot scheint heute geradezu tollkühn; ich wage die Vorhersage, dass mittlerweile ein Shitstorm der Marke Sexismus über der Edeka niedergehen würde (Textauszug: „Superuschi, Supermuschi, Supersushi“, dazu die suggestiven Bilder). Die Videos, die die Kampagne dieses Jahr begleiten, sind deutlich braver. Immerhin streicht Liechtenstein noch die Preise am Regal – der Witz bleibt gut. Wie es in einer Pressemitteilung heißt, steht das ganze Jahr im Zeichen des Wortes supergeil.

Wie angemessen ist supergeil?

Meine Kritik entzündet sich nicht nur an der Wortwahl, sondern auch der Unstimmigkeit im Konzept. Im Header heißt es noch

Unsere Liebe zu Lebensmitteln teilen wir gerne – am Liebsten mit Ihnen!,

dann darunter bei jedem Produkt „supergeil“. Hier ist ein klarer Bruch, das erste Mal stellt sich die Frage nach der Angemessenheit, weil die beiden Tonalitäten schlecht zusammenpassen. Das Ordinäre des Supergeilen korrespondiert nicht mit dem Herzlich-Familiären des Zitats. Mag sein, dass beides in bestimmten Milieus angenommen wird. Die Besucher meines Edekas ein paar hundert Meter weiter die Straße runter sehen allerdings konservativer aus. Sie bringen die beiden Teile bestimmt nur mit einem Stutzen zusammen. Während ich dies schreibe, frage ich mich sogar, wie sie dort trotz der Werbung dort einkaufen. Entweder weil sie sie nicht kennen, sie vergessen haben – oder weil der Laden so bequem liegt.

Ferner beklage ich die Penetranz – der Prospekt enthält allein auf der Titelseite geschlagene neun Mal das Wort supergeil. Im Ganzen dürfen wir es auf 16 Seiten 60-mal lesen.

Die Frage der Angemessenheit lässt sich also differenzieren:

  1. Ist ein Wort absolut angemessen? Konkret: Akzeptiert meine Zielgruppe meine Wortwahl oder wird sie sich daran stören?
  2. Passt ein Wort zum geplanten Medium (relative Angemessenheit)? Konkret: Im Video wird der Witz mit supergeil klarer, im Prospekt dagegen wirkt sein Einsatz penetrant und wird schnell schal.

Das supergeile Fazit

Ich bin über das Wording alles anderes als glücklich und hätte es anders gemacht. Das Konzept leuchtet mir ein, doch der Bruch zwischen den Textteilen ist nicht zu kitten. Man hätte seltener supergeil sagen sollen, die Monotonie ist penetrant. Fraglich ist, was die Kunden vom Wort supergeil halten. Voll krass oder mega oder megamäßig drückt ebenso aus, dass der Preis niedrig ist, und passt in die Tonalität. Mein Tipp: Setzen Sie sich beim Texten mit solchen Fragen ernsthaft auseinander, bevor das Kind in den Brunnen fällt – und Kunden sich genervt abwenden.

Über eine Edeka-Filiale in der Nähe habe ich vor einigen Jahren gebloggt – sie hatte ein eigenwilliges Parkverbot formuliert.

One Response to „Supergeil“ – der penetrante Edeka-Prospekt
  1. […] von Edeka hier. *Was ein Gscheidhaferl ist, erfahren Sie […]


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