In der FAZ fand ich einen sehr seltenen Konunktiv – löge. Für eine kurze Würdigung habe ich meine Reihe Konjunktiv des Monats wiederbelebt.

Heute eine kleine Schwärmerei. Die F.A.Z., einst konserveratives Bollwerk, heute träge im Meinungsmainstream dahinschwimmend, ringt sich manchmal noch zu ältlichen und doch reizenden Formulierungen durch, die auf vertiefte Sprachkenntnisse schließen lassen und das Herz des Sprachfreundes erfreuen.

Löge, das hatte selbst ich schon so lange nicht mehr gehört, dass es einige Sekundenbruchteile dauerte, bis ich diese Form dechiffriert und identifiziert hatte. Inzwischen ist man ja schon soweit, eher auf einen Tippfehler („Lüge“) als einen anspruchsvollen, selten gewordenen Konjunktiv zu schließen.

Löge – Formbestimmung und Anwendungsvermutung

Löge jedenfalls, für die Nicht-Eingeweihten unter uns, ist Konjunktiv II. Die landläufige Form ist inzwischen lügen würde. Und sofern Sie Sinn für Sprachästhetik besitzen, müssten Sie mit mir zu den Schluss kommen, welche unvergleichliche Schönheit in dieser Form liegt, gerade auch im direkten Vergleich zur plumpen Umschreibung mit würde. Halten wir es noch einmal fest:

Dennoch löge sich jeder Europäer in die Tasche . . .

Hach!

Vom Duden mag man infolge zunehmenden Laissez-faires halten, was man will, löge hat die Redaktion einen Eintrag spendiert. Respekt! Wenn Sie dem Link folgen, stellen Sie fest, dass völlig zurecht angemerkt wird: Starkes Verb. Wobei stark nicht wertend im Sinne von toll oder klasse gemeint ist, sondern im Sinne von kräftig – was an der unregelmäßigen Beugung zu erkennen ist.

Löge – wo nutze ich es?

Ich fand die Form auf Facebook, ausgerechnet, von allen Orten, dieser, in einem Teaser für einen Beitrag über den Anschlag in Neuseeland. Vermutlich kam die Form nicht aus ästhetischen Erwägungen zum Einsatz, sondern weil der Platz im Teaser knapp war, und der Redakteur auf diese Weise wichtige Zeichen sparen konnte. Eine rare Form wie diese findet sich am ehensten noch in literarischen Werken, was diesen Fund umso bemerkenswerter macht.

Doch so sehr ich auch schwärme: Unter professionellen Gesichtspunkten wie Verständlichkeit und Leserfreundlichkeit würde ich die Form in meiner Textpraxis wohl vermeiden – es sei denn, das Medium würde sich an ein Publikum richten, dass derartige Formen versteht, würdigt oder sogar bevorzugt. Vor diesem Hintergrund kann ich löge außer in privater Korrespondenz nur eingeschränkt empfehlen.

Erklärung für zartfühlende und/oder leicht erregbare Gemüter: Ich instrumentalisiere das Attentat mit diesem Beitrag nicht. Der Autor macht von seinem Recht auf freie Rede Gebrauch, und nimmt dabei den Anlass billigend in Kauf.

Hier geht’s zum letzten Konjunktiv des Monats.

One Response to Konjunktiv des Monats: löge
  1. […] Und damit schalten wir zum Vormonat mit dem damaligen Konjunktiv des Monats. […]


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