Warum einfach, klar und verständlich, wenn es auch umständlich geht? Zwei Beispiele missratener Überschriften und Vorschläge für bessere Lösungen.
Wolf Schneider formulierte für die gelungene Überschrift fünf Bedingungen. Sie soll erstens eine klare Aussage haben, zweitens eine zentrale Aussage des Textes sein, ihn drittens nicht verfälschen, viertens korrekt, leicht fasslich und unmissverständlich formuliert sein, und schließlich fünftens einen Lese-Anreiz bieten.
Aber das ist lange her. Damals transportierten Zeitungen noch die Nachrichten und waren nicht zu konstruktivem Journalismus angehalten, durch den Journalisten ihre Rolle ändern: Vom Beobachter zum Akteur. Das ist ungesund, weil es Parteinahme mit sich bringt.
Und damals gab es das böse Internet noch nicht, in dem andere kommunikative Techniken gelten, wie z.B. dialogisch zu texten oder die Verführungen des Clickbaiting locken, bei dem besonders reißerisch getitelt wird. Zum Glück haben wir nach meinem Eindruck die schlimmsten Exzesse hier schon gesehen.
Trotzdem kann man Überschriften gut machen. Don Alphonso etwa bringt das Kunststück fertig, dass man ihn schon an seinen Schlagzeilen erkennt. Toll. Aber zugegeben: Er schreibt längere Blogs und titelt keine Nachrichten, kann in dieser Freiheit also leichter ein Stilprinzip entwickeln und anwenden als der Redakteur im Newsroom.
Mindestens aber sollten Überschriften handwerklich sauber sein. Hier habe ich bei den Mitarbeitern aus den Qualitätsmedien so meine Bedenken, wie zwei aktuelle Beispiele zeigen, die besonders durch ihre Umständlichkeit hervortreten.
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Beispiel: Der tote DJ
Spiegel online etwa berichtete über den toten schwedischen DJ so:
Star-DJ
Polizei geht nach Tod von Avicii nicht von Verbrechen aus
Nun gehört zu Schneiders weiteren Forderungen, dass etwas keine Nachricht wert ist, wenn es nicht geschehen ist. Das ist hier der Fall – es gab kein Verbrechen. Aber nehmen wir an, das Interesse an dem DJ sei so hoch, dass der Stand der Ermittlungen berichtenswert ist. Dafür spricht, dass ein Tod mit nur 28 Jahren wohl die meisten stutzig werden lässt.
Sprachlich muss man sagen, dass man von nichts ausgehen kann, wie ich schon 2011 in einem Beitrag beklagte. Wie soll das gehen? Dafür kann die Polizei etwas annehmen, vermuten oder erwarten. Doch selbst wenn man das Verb austauscht, bleibt die Überschrift umständlich in der Formulierung und holprig im Stil.
Da der Tod schon zurückliegt, ist er keine Hauptsache mehr und gehört daher in die Vorzeile. Wenn keine Anzeichen auf ein Verbrechen vorliegen, hat man keinen Verdacht. Daher böte sich als kompakte, wesentlich schneller lesbare Lösung an:
Toter Star-DJ
Kein Verbrechensverdacht
2. Beispiel: Eine Sportmeldung auf N-tv
N-tv verbreitete gestern zur Nachfolge von Arsenal-Trainer Arsene Wenger eine Meldung unter der Überschrift:
Arsenal-Legende will Ex-Bayern-Coach als Wenger-Erben
Uiih, ist die kompliziert, was vor allem an den drei Kopplungen liegt, die jeweils eine Ersetzung für eine Person darstellen. Dann gehen wir mal in die Meldung rein und lösen auf.
Bei der Arsenal Legende handelt es sich um den früheren Torhüter David Seaman, den nicht jeder kennt, aber der durchaus legendären Ruf hat. Den lassen wir stehen.
Der Ex-Bayern-Coach ist Carlos Ancelotti, den man kennen könnte. Warum ihn nicht beim Namen nennen?
Arsene Wenger ist der amtierende Coach, der allerdings am Saisonende aufhören wird und Auslöser der Meldung war. Die Frage hier ist: Wieso Erbe? Okay, ein Nachfolger beerbt jemanden umgangssprachlich, doch ein Nachfolger ist ein Nachfolger. Also wäre der erste Vorschlag diese Konkretisierung:
Arsenal-Legende will Ancelotti als Wenger-Nachfolger
Geschickt wäre vermutlich der Verzicht auf das Verb, obwohl ich generell Verben-Fan bin, weil sie Sätze stützen.
Arsenal-Legende: Ancelotti als Wenger-Nachfolger
Und dann könnten wir noch die umständliche Kopplung am Schluss auflösen, indem wir den Nachfolger durch eine Präposition ersetzen. Das ginge so:
Arsenal-Legende: Ancelotti für Wenger
Alternativ auch nach oder statt. Das ist kürzer, klarer und damit verständlicher.
Dann hätten wir auch wieder den Platz, um David Seamann namentlich stattfinden zu lassen:
Arsenal-Legende Seamann: Ancelotti für Wenger
Und damit wäre hoffentlich auch Wolf Schneider zufrieden.
[…] gebe ich gern zu: Lieber so als sperrige Überschriften – die sich meist leicht vermeiden […]