Ob bewusst oder fehlerhaft: Verben groß schreiben liegt im Trend.

Verben groß schreiben – das ist im Grundsatz falsch

Kämpfen und Fehler machen – in der Hektik der sozialen Medien kann das eher geschehen

(12.2.2018) Sieg oder Niederlage, gewinnen oder verlieren – ob wir etwas groß oder klein schreiben, hängt nicht einfach von unserem Geschmack oder unserer Laune ab. Es ist, ganz im Gegenteil, ziemlich genau definiert. Hauptworte schreiben wir groß, Verben und Adjektive schreiben wir klein. Nur, dass diese Regel – zu meinem milden Erstaunen – offenbar in Vergessenheit gerät.

Verben groß schreiben: aus Unkenntnis oder Zeitnot?

In letzter Zeit habe ich vielfach lesen müssen, was ich hier beispielhaft zeigen kann.

Auf geht’s Hamburg, Kämpfen und Siegen

heißt es so falsch in einem Facebook-Post, den ich als Beleg dem heutigen Eintrag beifüge. Mal abgesehen vom martialischen Tonfall, der an längst vergangene Zeiten deutscher Geschichte erinnert, muss man sagen, dass kämpfen und siegen Tätigkeitsworte sind, vornehm Verben genannt. Und auch wenn Verben als Rückgrat jedes Satzes gelten, wie schon Ludwig Reiners in seiner „Stilfibel“ feststellte, werden sie dennoch klein geschrieben. Das Privileg der Großschreibung genießen, verkürzt gesagt, im Deutschen nur Hauptworte (Substantive) und Satzanfänge.

Auf geht’s Hamburg, kämpfen und siegen

wäre also die richtige Schreibung gewesen. Nun könnte man sagen, das sei ein einmaliger Fehler, aber regelmäßige Leser wissen, dass ich nur dann tätig werde, wenn sich gewisse Dinge häufen. Dass Verben groß geschrieben werden, beobachte ich so regelmäßig, dass ich befürchten muss, sie werden nicht mehr als solche erkannt. Wie kann es dazu kommen? Fehlen inzwischen die grammatischen Kenntnisse? Fehlt in der Hektik sozialer Medien Zeit? Oder handelt es sich um keinen Fehler, sondern bewusste Anwendung?

Verben groß schreiben: Bewusster Regelverstoß

Verb im Call to Action: Im Button geht’s um Wetten, oder?

Die zweite These liegt nahe, wenn ich an mein zweites Beispiel denke.

Jetzt Wetten

heißt es auffordernd, aber genauso falsch im Button des Werbebanners, den ich auf der Webseite des Kicker fand. Denn auch hier ist wetten ein Verb, sodass man also schreiben müsste:

Jetzt wetten

Wenn dies anders praktiziert wird, lässt es allenfalls einen rechtfertigenden Schluss zu: Dass in solchen Kurztexten, der Aufmerksamkeit halber, jedes Wort groß geschrieben wird, unabhängig von seiner grammatischen Funktion. Vielleicht, um die Aufforderung im Call to Action zu unterstreichen; oder vielleicht, weil man im allgegenwärtigen Englischen in Überschriften die wichtigen Worte groß schreibt. Dafür spricht, dass man diese Variante inzwischen so oft sieht.

Verben groß schreiben: Einfluss der SEO

Eine Rolle könnte noch die SEO spielen. Die Erfordernis, Keywords zu setzen, um im Ranking besser abzuschneiden, macht auch vor Grammatik nicht halt. Dafür spricht, dass Buttontexte suchmaschinenrelevant und Wetten hier ein Keyword sind. Inhaltlich könnte man den Buttontext so interpretieren:

Jetzt (zu den) Wetten

Ich gebe zu, dass auch meine brachiale Schreibung oben im Teaser der Suchmaschinenoptimierung geschuldet ist. Eleganter wäre eine Infinitivkonstruktion gewesen: Verben groß zu schreiben . . . doch so schlau ist der Algorithmus noch nicht.

Nun ist es dankenswerterweise so, dass zumindest in meinem Metier, dem Content Marketing, am Ende noch alle folgen, wenn man die Begriffe Duden, Rechtschreibung oder Lektorat fallen lässt. Dass trotzdem anderswo fehlerhafte Beiträge erscheinen, hängt dann damit zusammen, dass

  1. kein Lektorat beteiligt war (s. erstes Beispiel)
  2. oder man sich bewusst darüber hinwegsetzte
  3. man es nicht besser wusste (meine kulturpessimistische Lieblingsvariante)

Verben groß schreiben: Die Substantivierung

Die Konfusion könnte auch daher zugenommen haben, dass Verben groß geschrieben werden, wenn man sie substantiviert, also wie Hauptworte verwendet. Wenn man also sagen wollte:

Das Kämpfen und Gewinnen ist lebenswichtig geworden.

oder

(Das) Wetten ist ein echter Nervenkitzel für Sportfans.

Ich dachte nur immer, man erkennt solche Fälle leicht, weil dann ein Artikel (das, ein) vor dem Verb steht oder gesetzt werden kann.

Wenn Sie selbst den Test machen möchten, wie verbreitet dies Phänomen ist, schalten Sie bei Privatsendern wie RTL oder Pro7 rein. Bei Gewinnspiel-Einblendungen stehen die Chancen für groß geschriebene Verben dort gut. Auch in der Plasberg-Redaktion entschied man sich vor einiger Zeit dafür, Verben groß zu schreiben.

P.S. Dass in beiden Beispielen der Hamburger Sportverein vorkommt, ist bloßer Zufall und sagt nichts über Vorlieben oder Abneigungen dieses Korrespondenten aus.

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