Wie und warum sich ein Make-up-Artist in einem Artikel in eine Make-up-Künstlerin verwandelte.

(2.6.2017) Eigentlich hatte ich über etwas anderes bloggen wollen. Aber Spiegel Online, unerschöpflicher Quell der Inspiration, lieferte mir überraschend frischen Stoff. Anlass ist eine Meldung über den amerikanischen Komiker Jim Carrey. Dessen tote Freundin wird darin nämlich als

Make-up-Künstlerin

bezeichnet. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber an solchen Stellen stutze ich regelmäßig. Die Sinnprüfung meines Bewusstseins schlägt dann Alarm und fragt nach der Plausibilität des Gelesenen. Was ist oder macht eine Make-up-Künstlerin?, lautet die Frage, und die Antwort ist, dass Müll geschrieben wurde.

Wie schon so oft beklagt, hat hier offenbar der Reflex des vermeintlich korrekten wörtlichen Übersetzens funktioniert. Denn klar: In der US-Meldung stand

Make-up-Artist.

Und brav wurde das nachvollzogen – mit der Folge, dass ein Wort entsteht, das ganz und gar ungebräuchlich ist, weswegen auch beim Verfasser des Artikels sofort eine Überprüfung hätte stattfinden müssen. Zumal, wie wir wissen, der Spiegel sich ja zu den Leit- und Qualitätsmedien zählt, was doch wohl auch auch die sprachliche Abfassung der Beiträge umfasst.

Lösung Nr. 1: Der Make-up-Artist bleibt

Wer einmal in seinem Leben länger als zehn Minuten Germany’s Next Top Model gesehen hat, weiß, dass es in der Sendung von Make-up-Artisten nur so wimmelt. Also wäre Lösung Nr. 1 gewesen, es gleich unübersetzt zu lassen. Das wäre aber nicht meine bevorzugte Lösung gewesen.

Lösung Nr. 2: Die Visagistin

Besser noch hätte der Schreiber im Wörterbuch nachgeschlagen, wenn es ihm nicht von selbst einfällt. Auf dict.cc findet man z.B.

  1. Maskenbildnerin oder
  2. Visagistin

Nun finde ich die Maskenbildnerin etwas hoch gegriffen. Das bringe ich mit Hochkultur wie Theater oder zumindest doch Filmproduktion in Verbindung. Aus meiner Zeit als Musikschreiber ist mir die Visagistin präsent. Der freundliche Geist im Hintergrund, der dem Star die Schweißperlen von der Stirn tupft und dafür sorgt, dass die Haut vor der Kamera nicht so glänzt.

Was für ein schönes Wort. Und wie treffend wäre es als Berufsbezeichnung für Jim Carreys tote Freundin gewesen. Schade drum.

P.S. Insofern der Schreiber versucht haben sollte, den Beruf der Visagistin durch die Benutzung der Bezeichnung Künstler auf künstlerisches Niveau zu heben (so wie sich manche urbane Friseure gelegentlich auch dazu versteigen, sich als Künstler zu verstehen), müsste man sich zu der Einsicht durchringen, dass beim Tupfen und Schminken das Handwerkliche im Vordergrund steht. Was den Künstler ausmacht, dass etwas unverkennbar Unterscheidbares im Sinne eines Werkes geschaffen wird, fehlt dieser ehrbaren Profession.

Auch die Region lässt sich eleganter ins Deutsche übersetzen. Und damit entlasse ich Sie in das lange Pfingstwochenende.

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