In der Berichterstattung über Flüchtlingsgegner finden sich nur zwei Worte: Hass und Hetze. Dabei böten sich eine Reihe differenzierender Begriffe an, die womöglich die Diskussion konstruktiver machen würden.

Hass-2016

Hass der feinsten Sorte aus Peru (Plakatwerbung in einem Münchner Supermarkt)

(4.6.2016) Jetzt hat der Hass auch die Avocados in Peru erreicht – sehen Sie mal hier, habe ich kürzlich beim Einkaufen entdeckt. Okay, das war ein Witz. Tut mir leid, wenn ich das betonen muss, aber heutzutage kann man nicht mehr sicher sein, ob das, was man sagen will, richtig verstanden wird. Also nochmal: Der Name der Sorte wird hier nur aus humoristischen Gründen angeführt, vermutlich, ja wahrscheinlich, hat er eine andere Bedeutung als das, was wir im Deutschen gemeinhin damit verbinden. (Auflösung s.u.)

Die große Ausschließlichkeit

Womit wir auch schon beim Thema des heutigen Blogeintrags wären.  Zwei Begriffe haben in den Medien Hochkonjunktur: Hass und Hetze. Ich möchte hier nicht über Flüchtlinge und/oder Politik sprechen, sondern aus textlicher Sicht darauf hinweisen, dass die ausschließliche Nutzung dieser beiden Worte eine gefährliche Verengung der sprachlichen und gedanklichen Möglichkeiten darstellt.

Schnell ist man medial mit Hass und Hetze zur Hand, wenn über kritische Äußerungen oder feindselige Handlungen zu berichten ist. Ich frage mich: Kann es wirklich immer so einfach sein? Wo bleiben Differenzierungen, wie es sie im Halbdutzend gibt, von Vorbehalt, Vorsicht, Skepsis bis zu Zurückhaltung oder Ablehnung?  Nein, stattdessen nur noch Hass und Hetze. Da wirkt die sprachliche Behandlung reflexhaft und primitiv.

Beide sind sehr starke Worte. Psychologisch-rhetorisch gesehen beraubt man sich der Wirkung, wenn man direkt von null auf hundert Prozent geht. Nur wenn ich Zwischentöne bringe, können Akzente noch hervorstechen. Aber es gibt noch eine andere Folge: Eine öffentliche Debatte kann ohne Verengung und die Aufheizung durch Reizworte wesentlich entspannter und konstruktiver geführt werden.

Alternativen zur Hetze

Im Bemühen, Hilfe in Form von Alternativen anzubieten, habe ich in den Duden geschaut. Da ist einmal der Zeitdruck oder Getriebenheit, heute in aller Regel pauschal als Stress bezeichnet. Dann die Bedeutung der Schmähung, Polemik und Herabsetzung. Hetze, sagt der Duden, ist

die Gesamtheit unsachlicher, gehässiger, verleumderischer, verunglimpfender Äußerungen und Handlungen, die Hassgefühle, feindselige Stimmungen und Emotionen gegen jemanden, etwas erzeugen

und werde abwertend eingesetzt. Die Definition ist sehr weit gefasst, und wenn man diese Definition zugrundegelegt, fällt eine Menge darunter. Man muss sich also klarmachen, dass man tatsächlich relativ schnell hetzt. Textlich gesehen finde ich hier reichlich Material: Allein die vier ersten Adjektive

unsachlich, gehässig, verleumderisch, verunglimpfend

würden so manchem medialen Beitrag zur Zierde gereichen. Doch es gäbe auch noch Synonyme:

Aufhetzung, Aufwiegelung, Propaganda; (abwertend) Agitation, Stimmungsmache; (besonders Politik abwertend) Scharfmacherei

Alternativen zum Hass

Machen wir den Test und schauen, was der Duden zum Hass bereithält:

heftige Abneigung; starkes Gefühl der Ablehnung und Feindschaft gegenüber einer Person, Gruppe oder Einrichtung.

Unter den Synonymen finden wir eine inspirierende Liste:

Abneigung, Abscheu, Ekel, Feindlichkeit, Feindschaft, Feindseligkeit, Hassgefühl, Missgunst; (gehoben) Animosität, Groll, Zerwürfnis, Zwietracht; (bildungssprachlich) Antipathie, Aversion, Ranküne, Ressentiment

Auch hier muss man sagen: Treffer. Ein reicher Fund. Wie wäre es also, sich in Zukunft aus diesem Fundus zu bedienen? Jetzt könnten Sie mit recht einwenden, eine Debatte werde nicht allein dadurch besser, wenn man ein Wort durch ein anderes ersetzt. Daher schlage ich vor, nicht nur auszutauschen, sondern auch zu differenzieren. Vielleicht kommt eine Vorstufe zum Tragen? Vorausgesetzt, das ist gewollt. Denn nicht zu leugnen ist, dass Hass und Hetze herrlich griffig und plakativ klingen, auch und gerade zusammen. So kann man die anderen umso primitiver dastehen lassen.

Hoffen wir also, dass die Spindoktoren in den nächsten Wahlkämpfen wissen, was sie tun. Und wenn Sie wissen wollen, was es mit den Avocados der Sorte Hass auf sich hat: Da gab es in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts einen gewissen Rudolf Hass. . . 🙂

8 Responses to Nur noch Hass und Hetze?
  1. […] ich bei der Verleihung des Anglizismus des Jahres 2014. Hier noch der ursprüngliche Beitrag über Hass und Hetze. Und wenn Ihnen mal kein treffendes Wort einfällt, das Buch „Sag es treffender“ hilft immer. […]

  2. […] Wo wir schon bei emotionaler Verengung sind, hier meine Beobachtungen zu einer Variante, nämlich der Fokussierung auf Hass und Hetze. […]

  3. […] und erfüllt eine der Anforderungen des Wettbewerbs. Es geht in jedem Fall darum, in einer Zeit von Hass und Hetze für eine bessere Diskussionskultur einzutreten, wie sie zum Beispiel die Facebook-Gruppe […]

  4. […] und werden als abwertend begriffen. In dieser Zeit, in der medial schnell große Worte wie Hass und Hetze bemüht werden, klingt der mutmaßliche Täter feiner und wohlgesetzter als der […]

  5. […] und Bedeutung zu bedenken. Meedia nutzt das Beispiel Staatsversagen, ich hatte das Beispiel von Hass und Hetze. Dazu die ins Infantile gehende Emotionalisierung der Debatte durch Betroffenheit signalisierende […]

  6. […] ist die Anmerkung der Jury, hier handele es sich „in Zeiten von Hass und Hetze um ein positives Zeichen“, milde formuliert, ein grobes Missverständnis, und das Prinzip von […]

  7. […] wurde, nachdem ruchbar wurde, dass sich dort die bösen Buben von rächts sammeln und unmoderiert Hass und Hetze verbreiten dürfen. Das hat die Medien hierzulande doch durchaus beschäftigt, z.B. hier die SZ. […]


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