Nicht-Beachtung: Wer dieses Wort benutzt und sogar drucken lässt, verarmt das Vokabular und sollte missachtet werden. Getan wird es trotzdem – wie das Beispiel eines Schildes in München zeigt.

Nicht-Beachtung-Schild

Schild (in München): Vokabular missachtet.

(23.11.2015) Gymnasien verleihen günstigenfalls die allgemeine Hochschulreife, und gerade die bayerischen gelten als anspruchsvoll. Welch Überraschung daher, als ich das Schild (s. Foto) kürzlich am Münchner Luisengymnasium las. Es mag schon eine Weile hängen, doch einige Bemerkungen zur sprachlichen Gestaltung ist es allemal wert.

Wer Schilder dieser Art verfasst, hat wahrscheinlich selbst kein Gymnasium besucht und abgeschlossen. Oder wenn, dann war Deutsch nicht sein Lieblingsfach. Oder ihm ist egal, wie er sich ausdrückt, was im Falle seiner Muttersprache bedauerlich wäre, zumal sein Schaffen nach außen wirkt. Uns liegt sein Ausdruck genau deswegen am Herzen, denn jedesmal, wenn uns ein solches oder dieses Schild unter die Augen kommt, fühlen wir uns sprachästhetisch attackiert. Fast sind wir geneigt, von Barbarei zu sprechen.

Den Tonfallwechsel, den die Verwaltung anschlägt, wollen wir nur am Rande würdigen, wenn es auch merkwürdig erscheint, dass man zunächst harsch verbietet, dann recht freundlich bittet, um schließlich streng zu enden.

Doch die Verwaltung der Landeshauptstadt München, die hier namens der Schulleitung schreibt und als Schild dauerhaft hat fertigen lassen, hat noch andere Probleme, nämlich zur Wortfindung, wie der geneigte Leser im letzten Absatz feststellen kann. Da ist nämlich davon die Rede, dass

bei Nichtbeachtung Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erfolgt.

Es erfolgt Anzeige  – das kann man auch besser sagen, nämlich verbal: jemanden anzeigen. Das schwache Verb erfolgen muss nur deswegen folgen, weil sich der Verfasser vorgenommen hat, mit möglichst vielen Substantiven zu arbeiten. Dass der Hausfriedensbruch nicht gebeugt wurde – geschenkt. (Ein -s fehlt.)

Mein Punkt aber ist das Wort Nichtbeachtung (oder gern auch Nicht-Beachtung, ist lesefreundlicher), das die Verarmung des Vokabulars in Verwaltungskreisen und deren starres Denken zeigt, die auch in die Medien vordringt. Vorschriften sind zu beachten, und werden sie missachtet, ist das eine Nichtbeachtung. Richtig? Falsch. Die Lösung steht schon da:  Man spricht von einer Missachtung. Probe: Nichtbeachtung steht nicht im Duden, Missachtung schon. Eine inhaltliche Alternative wäre, wenn man bei der Substantivierung bleiben möchte, die Zuwiderhandlung gewesen, obwohl sie sprachlich auch recht streng und unangenehm ist.

Dennoch: Der Trend, Substantiven und Adjektiven durch Nicht- die gegenteilige Bedeutung zu geben statt nach dem treffenden Wort zu suchen, ist intakt. Hier eine kleine Tabelle mit aktuellen Funden und Vorschlägen für elegantere Lösungen.

One Response to Missachtung bei Nicht-Beachtung
  1. […] Wenn es so weiter geht, muss ich ein Buch darüber schreiben. Hier zur letzten Folge meiner Nicht-igkeiten. […]


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