Ein schöner neuer Anglizismus ist Nudging – griffig und unübersetzbar.  Woher das Wort kommt, was es bedeutet und warum es Anglizismus des Jahres werden kann. 

(16.3.2015) Derzeit macht ein schneidiger Zweisilber die Runde: Nudging. Ein neues Wort aus dem Englischen, das die Politik erobert. Was ist damit gemeint? Wörtlich bedeutet es, jemand sanft in die Rippen zu knuffen, damit er etwas richtig macht. Richtig verstanden als: Jemanden auf den gewünschten Weg bringen, den er selbst nicht genommen hätte, aber den er nehmen soll, ohne dass er sich bevormundet oder gegängelt fühlt. Kein Zwang, keine Sanktionen, ganz sanft ein freundlicher Hinweis auf wünschenswertes Verhalten. Das macht Nudging zum idealen Anwendungsgebiet für die Politik, gerade in Deutschland, wo man gern versucht, Menschen zu ihrem eigenen Wohl oder dem aller zu anderem Verhalten anzuleiten.

Verhaltensforschung als Heimat . . .

Ursprünglich kam der Begriff aus der Verhaltensforschung. Bereits 2008 schrieben zwei amerikanische Professoren ein Buch darüber. (Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein: “Nudge. Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness”)  Sunstein, ein Verfassungsrechtler, und Thaler, ein Ökonom, machten sich Gedanken darüber, wie der Staat effizienter Verhaltensänderungen seiner Bürger erreicht, wenn Ge- und Verbote und auch wirtschaftliche Anreize wenig bis nichts fruchten. Ihr Credo mündete in eine Art libertärem Paternalismus.

Das Prinzip wird wohl auch praktisch erprobt. So berichteten die Zeitungen in den letzten Tagen davon, dass nicht nur amerikanische (Obama) und englische (Cameron) Politiker es  angewendet haben, sondern auch die Groko-Vertreter von Merkel bis Maas es hierzulande einsetzen wollen. Separat abzuwägen wäre die inhaltliche, ethische Frage, warum man glaubt, dass der Staat besser als der Einzelne weiß, was für diesen gut ist? Dazu ausführlich der Verfassungsblog.

. . . eines möglichen Anglizismus des Jahres

Griffig, wie der Begriff einerseits ist, und komplex, wie seine Bedeutung andererseits ist, lässt er sich nur schwer eindeutschen. Egal also, wie man zu Nudging steht, ob man es für sinnvoll oder manipulativ hält, seine verstärkte Eroberung des öffentlichen Sprachraums ist zu erwarten und macht es zu einem frühen Wettbewerber für den Angliszismus des Jahres, vor allem, weil Nudging dort selbst gepflegt wird. Denken wir an die Gewinner der letzten Jahre (Blackfacing, Crowdfunding, -gate), dann fällt auf, dass es hilft, wenn ein Begriff moralisch kritisiert oder zu wünschenswertem Verhalten anleitet.

Zuletzt war ich mit der Wahl zum Anglizismus des Jahres nicht einverstanden. Warum, steht hier.

3 Responses to Der sanfte Stups: Nudging
  1. […] Damit ist das Framing dem Derailing verwandt, über das ich schon einmal gebloggt habe. Auch das Nudging spielt hier mit […]

  2. […] Sie kennen das Verbot nicht nur von Mietskasernen oder Grünanlagen, in denen das Betreten des Rasens verboten ist, sondern auch und zuletzt vor allem aus der Politik. Von der banalen Geschwindigkeitsbegrenzung bis zum globalen Klimawandel: Wenn es um darum geht, Verhalten und Lebensstil großflächig verändern zu wollen, helfen offenbar nur Verbote, weil der Mensch sich nicht den Geboten einer höheren, abstrakten Vernunft fügen will. So scheint es jedenfalls. (Okay, manchmal versuchen sie es auch mit einer Vorstufe, dem sanften Stups.) […]

  3. […] Glück ist Framing kein Nudging – dann wäre es schwerer zu […]


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