In der Verwaltung sind Wortkonstruktionen mit Nicht- am Anfang gang und gäbe, in Medien werden sie häufiger. Vielfach lassen sie sich vermeiden – wenn man will. Beispiele, Vorschläge und Hilfe.

(26.4.2013) Neulich erhielt ich ein Knöllchen, Verzeihung: eine Verwarnung mit Zahlungsaufforderung der Verkehrsüberwachung der Landeshauptstadt München. Im Kleingedruckten auf der Rückseite las ich, dass

. . . auf die Kostentragungspflicht des Fahrzeughalters bei Nichtermittlung des Fahrzeugsführers hingewiesen wird.

Aha, wenn der Fahrer unbekannt ist, muss der Besitzer zahlen. So einfach könnte es auch sein. Mal abgesehen vom Nominalstil in Kostentragungspflicht: Wenn man sich im öffentlichen Sprachraum umschaut, finde man häufig sperrige Wörter, die mit Nicht- beginnen.

Das mag, neben der Neigung Beamter, sprachlich lieber vermeintlich korrekt als treffend zu sprechen, manchmal getan werden, um bewusst das Gegenteil zu einem Begriff herauszuarbeiten. Vielleicht war das der Gedanke der Pressemeldung der Initiative D21, als sie Anfang der Woche titelte:

Datenschutz und Sicherheitsbedenken sind häufige Motive für die Nichtnutzung des Internets

Doch selbst wenn: Verzicht aufs Internet wäre schöner, kürzer und verständlicher gewesen.

Ein anderes Motiv ist, Kritik abzuschwächen. Klare Worte unterbleiben,  um niemandem auf die Füße zu treten, obwohl man es eigentlich will, und es die Aufgabe der Presse wäre. Samthandschuhe und Wattebäusche wirken netter, man darf später vielleicht wieder zum Interview kommen. Das Motiv ist verständlich, führt aber sprachlich zu allerlei Verrenkungen, z.B. dass negative Begriffe zunehmend vermieden werden, und lieber die positiven verneint.

Seit ich erstmals über diesen Befund gebloggt habe, habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten weitere Belege gefunden, die ich heute hier präsentieren möchte, mit dem Vorschlag: Lieber kurz und klar als umständlich und aufgebläht.

Treffende Worte und eine Online-Hilfe

Zwei Beispiele aus der Süddeutschen vom 9.11.12. Aus einem Lou Reed-Interview: Der Künstler hat keine gute Laune – bedeutet, dass er schlechte hat. Der Artikel war im übrigen so negativ, dass der Schreiber nie wieder einen Termin mit Reed bekommen wird. Am selben Tag auf der Titelseite: Wenn Abgeordnete nicht für eine Entscheidung stimmen, stimmen sie dagegen oder lehnen sie ab. Mit der Ablehnung vermeidet man die Kritik, die Enthaltungen blieben bei dagegen unberücksichtigt. Zehn Tage später wurde der 60er Trainer Reiner Maurer entlassen: Wenn jemand nicht erfolgreich ist, wie die Süddeutsche zur Begründung schrieb, ist er erfolglos. Und nochmal die Sechziger, in der SZ von heute: Bei der Präsidentenwahl mussten alle Nichtdelegierten den Saal verlassen, hieß es unelegant. Hier wirkt außer Wunder: Alle außer die Delegierten mussten nämlich raus. Um Ersetzungen zu finden, hilft eine Seite wie Open Thesaurus, aber Nichtdelegierte zum Beispiel kennt auch sie nicht.

In ihrer Ausgabe vom 22.11.2012 berichtete die SZ über einen Missbrauchsfall in der Charité:

„Öffentlich machte die Klinik den Fall eine Woche lang nicht.“

Abgesehen von der unglücklichen Satzstellung könnte man auch sagen, dass sie ihn verschwieg oder gar geheimhielt. Und wenn der Gruner & Jahr-Vorstand am 23.11. in einer Pressemitteilung geziert vermelden lässt, die FTD werde nicht weitergeführt, dann meinte er, dass sie eingestellt wird. So wurde es auch am selben Tag in der Tagesschau berichtet, doch nicht weitergeführt klingt freundlicher. Und dann waren da noch die nichtprofessionellen Fotografen, auf die ich kürzlich in einem Artikel über digitale Systemkameras stieß. Grenzen Begriffe wie Hobby- oder Amateurfotografen schon aus? Falls nicht, wäre das mein Vorschlag.

P.S. Nicht-reservierte Plätze sind freie Plätze, und hier geht’s zu meinem 2. Blogeintrag zum Thema: Eine kurze Liste des Nichts.

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