Deutschlands Redaktionen wortspielten auch im November um die Wette. Gelungene Beispiele aus der taz, der Financial Times Deutschland und der Süddeutschen Zeitung.

Und nochmal Headlines, diesmal die Novemberlieblinge. Gut aufgelegt wie so oft: Die taz. Am 16.11. machte das Blatt mit der Zeile auf:

Ökostromer will Kohle machen.

Dazu ein Haufen Kohle. Ich habe gelacht. Und mich gefreut: Denn den Leser zu überraschen und gut zu unterhalten, sollte Anforderung an und Anspruch für jeden Schreiber sein.

Am Tag darauf (17.11.) wurde es im selben Blatt sogar schlüpfrig – s. Ausschnitt. Unter der Überschrift

Hosen runter, Röcke hoch

forderte man in Bekennerbriefschreibweise eine 30-prozentige Frauenquote in deutschen Chefredaktionen und machte sich dabei den buchstäblichen und den übertragenen Sinn von Worten zunutze. Die Zeile ist umso mutiger, als die Leser sie sexistisch finden könnten. Hoffen wir, dass der Humor die Verbiesterung überwog.

Kurz vor der Entscheidung über ihre Einstellung fiel auch der Redaktion der Financial Times Deutschland eine schöne Zeile ein. Anlass war die verspätete Lieferung des neuen ICE Velaro an die Bahn.

Es fährt kein Zug nach Irgendwo

titelte die Redaktion und spielte damit auf einen uralten Schlager an – das war mutig. Ich hätte nicht gedacht, dass sich noch so viele an Christian Anders‘ Lied „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ erinnern – immerhin stammt es von 1972. Wahrscheinlich muss man die Zeile als Galgenhumor interpretieren: Am 23.11. gab der Gruner und Jahr-Vorstand bekannt, dass die FTD eingestellt wird.

Auch die Süddeutsche Zeitung wusste zu gefallen. Am 29.11.2012 heißt die Überschrift im Wirtschaftsteil über einem Artikel über die ICE-Lieferprobleme von Siemens

Es gilt das gebrochene Wort.

Eine schöne Persiflage auf die Redewendung vom gesprochenen Wort, und zugleich ein geistreiches Paradoxon, weil gebrochene Worte gerade nicht gelten; analog zum 2011 ausgezeichneten Brüderle bei Ehrlichkeit ertappt, aber nicht auf Kosten einer Person.

Verkrampft war dagegen das Süddeutsche Magazin Nr. 48 vom 30.11.2012, das in Gänze dem Brot gewidmet ist. Die gesamte Ausgabe hindurch wurde wortspielig getextet – und zwar von der schlechten Sorte. Auf der Titelseite heißt es

Weniger ist Mehl.

Mich schüttelt es. Grundsatz bei Wortspielen muss sein, das Wesen des Originals zu erhalten, sonst funktioniert es nicht. Sicher – Mehl hat drei Buchstaben mit mehr gemeinsam. Aber das Wort klingt insgesamt anders, womit das Wortspiel ruiniert ist und sich verbietet.

Ähnlich die Überschriften über den Beiträgen: Schluss mit dem Quak (Altes Brot soll nicht an Enten verfüttert werden) kann man machen, Noch ganz bei Toast ist okay, weil die Laute etwa passen, aber dann:

Immer rein in die gute Suppe.

Zum zweiten Mal werde ich durchgeschüttelt. Stube und Suppe: Zwei Silben, gleicher Anfangsbuchstabe und Vokal, nur leider einmal lang, einmal kurz: Das rumpelt. Also: Bei Wortspielen neben dem Rhythmus stets den Reim berücksichtigen. Oder auf ein Wortspiel verzichten.

Vielleicht interessieren Sie die Lieblinge des letzten Monats? Oder die besten Schlagzeilen 2012.

One Response to Headlines: November-Darlings
  1. […] fiel mir SpOn beim untererkauften Wolf durch eine schwache Zeile auf, die taz dagegen schon früher […]


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