. . . wird der Anglizismus des Jahres 2011 daraus. Eine Jury um den Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch destillierte den Shitstorm aus 60 Nominierungen.  Ein Jahr später: Kommt der Scheißsturm?

(13.2.2012, Nachträge 21.3.2013, 15.6.2017, 21.5.2022) Der Shitstorm „bezeichnet eine unvorhergesehene, anhaltende, über soziale Netzwerke und Blogs transportierte Welle der Entrüstung über das Verhalten öffentlicher Personen oder Institutionen, die sich schnell verselbstständigt und vom sachlichen Kern entfernt und häufig auch in die traditionellen Medien hinüber schwappt“, schreibt die Jury in ihrer Begründung. M.a.W. wenn die Scheiße das Netz stürmt. Zuletzt war das etwa der Fall, als sich die Drogeriemarktkette Schlecker  – noch vor der Insolvenz – despektierlich über ihre Kundschaft äußerte. Das Wort ist deutlich-derb, findet aber seine geistige Entsprechung im Deutschen im Bild der dampfenden Kacke. Warum also nicht? Auch die Publikumsabstimmung sah den Shitstorm vorn.

Auf den Plätzen: Stresstest und circeln

Zweiter wurde der Stresstest, der schon zum Wort des Jahres gewählt wurde und auch in diesem Blog schon früh Gegenstand der Erörterung war. Auf dem dritten Platz landete das Verb circeln, mit der Bedeutung jemanden im sozialen Netzwerk Google+ zu einer Kontaktliste hinzufügen.

Mein Favorit war der Haircut, weil er so zynisch ist. Er gehörte auch zu den Nominierten, wurde allerdings nicht für die Endrunde berücksichtigt. Die Begründung, dass er sich nicht durchgesetzt habe, sondern durch den Schuldenschnitt ersetzt wurde, stimmt allerdings nur so halb, denn hin und wieder sieht man ihn noch. (Es gehört allerdings zu den Kriterien des Wettbewerbs, dass der Begriff nicht durch ein deutsches Wort ersetzt werden können darf.)

Ein Trend muss nicht breit sein

Kritisch sehen muss man m.E. die relativierende Bemerkung der Jury, der Einfluss des Englischen als internationaler Verkehrssprache sei gar nicht so hoch. Begründung: Insgesamt wurden nur 60 Begriffe nominiert, von denen es wiederum nur 17 in die Endauswahl schafften. Diese Argumentation übersieht, dass immer nur einige wenige Worte in Mode sind. Oder anders gefragt: Wie breit muss ein Trend sein?

Der Anglizismus des Jahres wird 2011 zum zweiten Mal verliehen. 2010 gewann leaken als Bezeichnung für das gezielte anonyme Veröffentlichen geheimer Informationen zum Wohle der Öffentlichkeit. Zur Begründung schrieb die Jury dies. Der Klick lohnt, die Begründung ist aufschlussreich, die nominierten Worte samt Gewinner schick in eine Grafik gegossen.

Trotz meiner Kritik geht von hier aus ein Dank an Herrn Stefanowitsch für die Durchführung der Wahl; mit ihrer Transparenz und ihren klar definierten Kriterien lässt sich vergleichsweise verlässlich ein Überblick darüber gewinnen, was im zurückliegenden Jahr an Neuem aus dem Englischen ins Deutsche eingesickert ist.

Kommt der Scheißsturm?

Nachtrag 21.3.2013: Gelingt es der deutschen Entsprechung ein Jahr später, sich  durchzusetzen? In der Süddeutschen Zeitung von vorgestern macht das Feuilleton mit einer großen Verteidigung Katja Riemanns auf – und darin heißt es, die Schauspielerin müsse nach ihrem umstrittenen Interview gerade einen Scheißsturm über sich ergehen lassen. Folge: In einem Leserbrief beschwert sich ein SZ-Leser einige Tage später über die Fäkalsprache des Blattes. Ich meine, dass sich der Scheißsturm nicht deutlich von ähnlichen Worten wie Scheißwetter unterscheidet und deshalb seine Bedeutung nicht klar genug ist – was für den Shitstorm spricht. Oder man fügt ein e ein und macht den Scheißesturm draus. Das wäre etwas deutlicher. Google sagt zum Scheißsturm: 9.070 Treffer, der Duden sagt noch nichts.

Nachtrag 15.6.2017: Inzwischen sagt der Duden etwas – der Shitstorm hat einen Eintrag. Die Bedeutung wird so angegeben:

Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht

In einem FAZ-Beitrag von 2013 zum Shitstorm finde ich ein Bild, dass dem Shitstorm ähnelt, aber dem die Fäkalkomponente fehlt: Den Flächenbrand. Dort wird auch die Wutwelle angeboten. Diese Variante hätte den Vorteil, wie der Shitstorm zu alliterieren und durch die Wut das mächtige Gefühl der Empörung im Shitstorm zu erhalten. Wenn Sie also nicht ganz so derb texten wollen, wären das meine Vorschläge zur Güte.

10 Responses to Shirtstorm: Wenn die Scheiße das Netz stürmt . . .
  1. […] wie das Konzept dahinter, die Human story of the game. Was 2011 Anglizismus des Jahres wurde, hier. Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. […]

  2. […] Ergänzungen sind willkommen. Zum Anglizismus des Jahres 2011. Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Trends abgelegt und mit 2012, Anglizismus, Trendwörter […]

  3. […] bezeichnet eine Welle des Zuspruchs, schreibt die Wikipedia, im Gegensatz zum Shitstorm. Dort tobt allerdings gleichzeitig eine Relevanzdebatte, d.h. ob man genügend Speicherplatz hat, […]

  4. […] (als deutsche Form des Shitstorms, letztes Jahr Anglizismus des […]

  5. […] dem kraftvollen Shitstorm siegte dieses Jahr ein unspektakuläreres Wort: Crowdfunding ist der Anglizismus des Jahres […]

  6. […] S. 154 fand sich zweitens noch ein Negerkuss. Das Wort würde einen Shitstorm auslösen, würde das Buch 2015 veröffentlicht. Aber das würde es nicht, jedenfalls nicht mit […]

  7. […] Laden. Der Spot scheint heute geradezu tollkühn; ich wage die Vorhersage, dass mittlerweile ein Shitstorm der Marke Sexismus über der Edeka niedergehen würde (Textauszug: „Superuschi, Supermuschi, […]

  8. […] Passanten und Passantinnen dagegen verbieten sich. Ich bin zuversichtlich, dass Passanten keinen Shitstorm auslösen […]

  9. […] ich an billigen Debatten teilhaben oder via Shitstorm zu ihrem Gegenstand werden? Zweifellos nicht. Das ist es mir nicht wert, die simple Trennung in die […]

  10. […] die Schreibungen so ausgeführt, wie der Auftraggeber es – mit Blick auf einen zu befürchtenden Shitstorm – so wollte. Aber ich habe mich dabei gefühlt wie ein Verräter. Es fühlte sich so falsch an, […]


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