Wer die Medien verfolgt, stellt fest: Klare Aussagen werden seltener. Relativierungen wie „ein bisschen“ und „ein wenig“ klingen lässig, sind aber in Wirklichkeit nachlässig, denn sie differenzieren zum Schein. Manchmal sind sie auch nur komisch.

(29.2.2012) Meistens findet man sie da, wo es ungefähr wird – also fast überall: Im Feuilleton, in Kolumnen, im Wochenendteil. Aber auch in Büchern und im Sportteil, der neben den News Hintergründe bringen muss, weil das Netz die News schon hat. Relativierungen wie ein bisschen und ein wenig breiten sich schneller aus als ein Sommerwaldbrand, lassen aber schon mal am Sinn einer Aussage zweifeln.

Diesen Eintrag habe ich schon im letzten Frühsommer geschrieben (deswegen wohl auch der Waldbrand), aber aus Gründen, die mir entfallen sind, nicht veröffentlicht – vielleicht hatte ich stärkere andere Geschichten. Doch die Beispiele sind immer noch gut und gültig, der Trend ist intakt:

Ein wenig muss man bei Ihren Überlegungen an Goethes Faust denken,

schreibt etwa Dr. Dr. Erlinger in seiner Gewissens-Kolumne im SZ-Magazin. Denkt er nun daran oder nicht?  Ein wenig denken: Wie macht er das? Eine leere Floskel. Warum nicht das volle Bekenntnis: Man muss bei Ihren Überlegungen an Goethes Faust denken? Vielleicht sogar: Ich muss denken – Erlinger veranstaltet doch ohnehin einen öffentlichen Dialog mit dem Leser. Noch schlimmer, wenn die Relativierung eine Einschränkung doppelt – dann wird’s tautologisch. Wenn z.B. etwas ein wenig ähnelt, was man inzwischen häufig liest, denn ähneln ist sowieso nur eine leichte Übereinstimmung.

Schreiberleid: Ein bisschen Angst

Eine CD-Kritik auf Spiegel Online enthält die beliebte Alternativ-Relativierung ein bisschen:

. . . und weil man auch ein bisschen Angst hatte, der (Künstler) könnte sich mit zu schnell herausgehauenem Nachschub entzaubern. Diese Furcht war zum Glück unbegründet.

Wie steht es mit dem Sinn des Geschriebenen? Ein bisschen Angst – wie fühlt sich das an? Meinte der Schreiber leise Angst? Vorne noch relativiert, steht er im zweiten Satz zu seinen Gefühlen, da darf die Furcht sich Bahn brechen. Über die Motive dieser unnötigen Relativierung kann man nur rätseln: War es ihm unangenehm, Angst zuzugeben? War Vorsicht sein Motiv? Bei Kritik lässt sich leichter zurückrudern, wenn die Äußerung niedrig dosiert war. Oder will er einfach nur lässig wirken? Ich finde es nachlässig, weil es den Wert seiner Aussage insgesamt in Zweifel zieht.

Fußballerfreude: Ein kleines bisschen Durchbruch

Zum Schluss ein Lacher aus dem Sportteil: In der Süddeutschen Zeitung stand am 13. Juli 2011 der Satz, ein neu angekommener Fußballer habe bei 1860 München nach einer guten Vorbereitung  ein bisschen den Durchbruch geschafft. Für mein Empfinden bringt dieses Beispiel die Absurdidät des Relativismus zum Ausdruck: Den Durchbruch schafft man ganz oder gar nicht – und keineswegs nur ein bisschen.

Wie sich solche Sätze vermeiden lassen? Die Floskel am besten vermeiden.

2 Responses to Ein Quantum Angst, ein wenig Vorsicht
  1. PR-Beiträge 09/2012: Karriere-Guide & Oster-PR | kommunikationsABC.de 2. März 2012 at 10:47 Antworten

    […] Ein Quantum Angst, ein wenig Vorsicht […]

  2. […] dass Sie Aromatik nicht im Duden finden. Und ich muss sagen: Ich war froh, dass der Duft nicht ein wenig an Veilchen erinnerte – ebenfalls ein gern genommener medialer Rhetoriktrick, um zu relativieren […]


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