Man hört oft das sperrige Adjektiv unbestreitbar. Lässt es sich vielleicht durch das geschmeidigere unbestritten ersetzen?

(21.11.2011, Aktualisierung 9.10.2020) „Es ist doch unbestreitbar, dass Christian Wulff Fehler gemacht hat“, warf Aspekte-Chef Wolfgang Herles am Sonntag Abend bei Günter Jauch erregt in die Runde, und hat damit an prominentem Ort ein schönes Wort beerdigt – unbestritten, das er bis vor kurzem an dieser Stelle benutzt hätte. Auch am Moderator einer Literatursendung geht die Mode nicht vorbei, und ein weiteres Mal hat ein Adjektiv auf -bar ein angestammtes Wort als Synonym verdrängt.

Unbestreitbar und unbestritten: Die große Gemeinsamkeit

Nun mögen Feingeister einwenden, unbestreitbar bedeutet, dass etwas nicht bestritten werden kann, während unbestritten beschreibt, dass etwas bisher nicht bestritten wurde, aber noch Gegenstand einer Auseinandersetzung werden könnte. Allerdings reicht das Perfekt bestritten bis in die Gegenwart – was impliziert, dass was bislang nicht bestritten wurde, wahrscheinlich unangetastet bleibt. Folge: Unbestritten war faktisch unbestreitbar.

-bar und -lich: Der kleine Unterschied

Die Evolution schreitet voran, Adjektive auf -bar sind 2011 weiter auf dem Vormarsch: Trendwörter wie undeutbar, erwartbar und verstehbar bevölkern die Medien (und diesen Blog), Adjektive mit -lich weichen zurück. Nicht selten endet derselbe Stamm statt auf -lich auf -bar, zum Beispiel wenn aus unüberwindlich unüberwindbar wird. Das ist nicht dasselbe, ja nicht mal das Gleiche: Während manche Dinge objektiv unvermeidlich sind, sind sie subjektiv vermeidbar. Die -lichs betreffen Umstände, die nicht in unserer Macht stehen, während wir das -bare selbst in der Hand haben. Was davon zutrifft, ist dem Sachverhalt aber nicht immer zu entnehmen – dann haben -bar und -lich die gleiche Bedeutung, und -bar den Trend für sich.

Aktualisierung, 9.10.20 So sehr es mir widerstrebt, das Wort unbestreitbar zu nutzen, muss ich doch einräumen: Es hat einen Dudeneintrag. Damit ist seine Existenz unbestreit . . . Sie wissen schon. Erwartbar (s.o.) hat dagegen immer noch keinen. Das verstehe, wer will, denn von der Präsenz her hört man erwartbar oft, so wie Medien in den letzten Jahren generell zunehmend Adjektive auf – bar  verwenden.

One Response to Unbestreitbar unbestritten
  1. […] als zweites aber, dass hier die Partizip-Lösung noch besser ist: unübertroffen. (Vgl. unbestreitbar-unbestritten). Das Wort ist insofern ironisch, als die Autorin im Artikel mit Sprachästhetik argumentiert […]


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