Rechtzeitig vorm Jahresende und seinen Trendwortwahlen möchte ich auf einen Kandidaten hinweisen, der bis vor einiger Zeit dem Kunstbetrieb vorbehalten war und sich in diesem Jahr stark ausgebreitet hat: kuratieren.

(21.10.2011) Der Kurator ist laut Duden der (wissenschaftliche) Leiter einer Ausstellung oder eines Museums. Aber der Zeitgeist hat diese dröge Jobbeschreibung aufgeweicht. Inzwischen ist der Kurator ein Traumjob geworden, wie artnet weiß, und anscheinend so attraktiv wie früher der Beruf des Künstlers selbst. Das ist bemerkenswert, denn eigentlich wählt der Kurator nur aus einer großen Zahl von Kunstwerken das Beste aus, schafft selbst aber nicht, wie die Zeit treffend analysiert. Dafür hat er Macht und erhält Anerkennung.

Heute kuratiert man Ausstellungen vorwiegend, während sie früher gemäß  Wortbedeutung organisiertbetreut oder auch einfach nur gemacht wurden. Klingt entschieden besser – feiner, vornehmer, intellektueller. Inzwischen hat der Begriff die Kunstnische verlassen, auch Journalisten kuratieren. Ihre Aufgabe habe sich im Internet-Zeitalter gewandelt, sie müssten immer mehr Information auswählen, einordnen und bewerten, heißt es zur Begründung etwa auf jounalisten-training.de. Und deswegen sei „Kuratieren das Gebot der Stunde“.

Ich vermute, das Wort breitet sich wegen der Bedeutung des lateinischen curare so stark aus: Im Heilen oder Sorgen für liegt etwas ethisch Grundgutes, und auch Nicht-Lateinern erschließt sich die Bedeutung via kurieren oder das englische cure. Und kuratieren kommt aus der Kunst – wer schmückt sich damit nicht gern?

Kuratieren wird am Jahresende nicht zum Wort des Jahres gewählt werden, und auch nicht zum Unwort, aber als Beispiel für den Bedeutungswandel eines Wortes und den Sprach- und Bewusstseinswandel einer Gesellschaft verdient es allemal Erwähnung.

4 Responses to Hilfe, der Kurator ist los!
  1. Danke für den Hinweis. Außerhalb des Kunstbetriebs ist mir “kuratieren” noch nicht begegnet, in Zukunft werde ich vermutlich täglich darauf stoßen.
    Immer häufiger irritiert mich hingegen eine merkwürdige Pluralform, die um sich greift: Streits (erst jüngst in dem ARD-Film “Homevideo”). Laut DUDEN gibt es zwar den (als selten markierten) Plural “Streite”, m.E. ist der Plural allerdings unnötig – “der häufige Streit”, “wir hatten oft Streit” oder eben verbal: “wir stritten immer wieder”. Und wenn es unbedingt ein Plural sein soll, gibt es ja immer noch die Streitigkeiten.

    • Mir persönlich ist es fremd, meinen Beruf hochgestochener zu bezeichnen als er eigentlich ist. Insofern befürchte ich, dass jede Begegnung mit dem „kuratieren“ unangenehm sein wird.
      Ebenso irritierend wie Streits ist auch der Plural von Saison – lt. Duden Saisons. Ich behelfe mir gern, sofern es um Sport geht, mit Spielzeiten.
      „Homevideo“ fand ich abgesehen von den „Streits“ recht eindringlich; gutes Thema, konsequent umgesetzt (wenn auch mit erschütterndem Ende).

  2. […] Streitigkeiten bietet sich noch die Umschreibung mit einer Verbform an, wie es dieser Kommentar zum vorigen Beitrag vorschlägt (danke!) – in diesem Fall, dass Community Manager immer dann […]

  3. […] ich an dieser Stelle eine Lanze für den Kurator brechen. Ich möchte meine Haltung gegenüber meinem ersten Beitrag revidieren, indem ich sie erweitere. Nach wie vor finde ich die Bezeichnung irreführend und […]


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