(21.9.2011) Warum so schreiben, dass der Leser einen Artikel versteht oder dieser ihm gar nützt, indem er etwa nach der Lektüre weiß, ob das besprochene Buch oder Album etwas taugt? Das macht doch schon der Focus! In diese Untiefen des Banalen möchten wir Freigeister und Feinschreiber der Süddeutschen Zeitung nicht eintauchen.

Lass uns doch lieber mal testen, könnte sich deren Rezensent gedacht haben, ob wir mit einer verbalen Blendgranate darüber hinwegtäuschen können, dass wir vier Spalten füllen müssen, ohne dass wir etwas zu sagen haben oder sagen wollen. Ist doch eh schon alles gesagt, oder?

Nein, wir sind kreativ und können auch anders. Wir sind überlegen und schlau, und zeigen unsere Überlegenheit gern, auch wenn wir das eigentlich nicht nötig haben. Dann aber gelten wir unter Unseresgleichen mehr. Wir kennen Wörter, die andere nicht kennen. Vertreiben wir uns unsere Langeweile (oder Verzweiflung) im Glashaus über den Besprechungsgegenstand, indem wir mit möglichst abseitigen und eigenwilligen Begriffen hantieren! Nebenbei untermauern wir so unseren Überlegenheitsstatus und damit unsere Deutungshoheit.

Erstmal dürfen Sie nachschlagen . . .

So muss einem der exzentrische Sprachgebrauch im gestrigen Feuilleton vorkommen. Ohne Wörterbuch war da nichts zu wollen. Machen Sie mal den Test – hätten Sie es gewusst? Anlass für den Überdruss des Rezensenten war das neue Album von Superheavy, einer so genannten Supergroup aus Mick Jagger und anderen. Im Aufmacher lauern diese Testaufgaben:

1. Die Musik der Herrschaften ist nicht einmal müde, sondern bloß so kompress, wie es der globale Markt verlangt.

Klicken Sie ruhig, ich kannte es auch nicht. Und fragen Sie sich dann, was es bedeuten soll, eine Musik sei so zusammengedrängt, wie es der globale Markt verlangt.

2. Das Album plätschert großmögend dahin.

Großmögend ist ein ausgestorbenes Wort ohne Dudeneintrag. Sie finden es in Wörterbüchern von ca. 1796 mit der Bedeutung viel vermögend.

3. Charlie Watts` unerbittlicher Rhythmus ist reichlich Gegenstand panegyrischer Lieder geworden.

Na, sind Sie jetzt auch klüger? Lobrednerisch – das hätte man aber nun wirklich wissen können.

 . . . um sich dann von Neuschöpfungen begeistern zu lassen

Am besten schöpfen wir gleich eigene Wörter – das deutsche Vokabular ist mir eh zu begrenzt. Und überhaupt: Ich bin auch ein Dichter. Diesen Eindruck vom Rezensenten erhält, wer drei Seiten weiter auf der Literaturseite die Besprechung von Josef Bierbichlers Romandebut liest. In der Bildunterschrift steht, Bierbichler sei ein, Achtung, wuchtvoller Erzähler. Wuchtvoll ist so selten, dass die Rechtschreibkorrektur daraus ein gefühltes Dutzend Mal zuchtvoll gemacht hat. Am Ende des Artikels resümiert der Rezensent, Bierbichler habe die Geschichte blutvoll rekonstruiert. Wuchtig, kraftvoll – wie entsetzlich gewöhnlich, die existierenden Angebote reichen nicht; neue Worte müssen her.

Was die Sache so unnötig macht: Man hätte so leicht treffendere Worte finden können. Über die Gründe dieser leerdrehend-verkrampften Bildungshuberei lässt sich nur rätseln, aber Spaß beim Lesen macht sie nicht – im Gegenteil.

4 Responses to Neu: Feuilleton mit Wortschatztest
  1. Toller Blog, ich komme jetzt regelmaessig

  2. Danke, freut mich!

  3. […] legt. Immer geht der Sachverhalt vor der Eitelkeit des Autors, was in Deutschland, insbesondere in Feuilletons und der Wissenschaft, beklagenswerterweise genau andersherum ist. Um einen Standard für die ganze, […]

  4. […] Sie sich von Bildungsprotze im Feuilleton unterhalten fühlen, hätte ich hier noch ein paar Perlen für […]


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