Ein sprachverarmender Trend hat die Medien erobert: Das Gegenteil von Adjektiven wird vermieden, dafür ein „weniger“ vor das Original gestellt. Jüngster Fall: Thomas Gottschalk bekommt kein höheres, sondern ein „weniger niedriges“ Honorar.

TV-Entertainer Gottschalk: „Weniger niedriges Honorar“ (Bild: Audi)

Auch wenn Thomas Gottschalk gestern Abend seine letzte Folge „Wetten, dass“ moderiert hat, müssen wir uns um seine Zukunft keine Sorgen machen. Ihm liegen Angebote von ARD und ZDF für neue Sendungen vor.

Sorgen machen müssen wir uns um die Art der Berichterstattung über Gottschalks künftige TV-Karriere. Die Süddeutsche Zeitung etwa schrieb Freitag auf der Medienseite, das ZDF habe Gottschalk eine Offerte für eine wöchentliche Sendung gemacht. Das Honorar: ein niedriger Millionenbetrag im Jahr. Die ARD hält dagegen: Mit einem wochentäglichen Auftrittsformat, und einem, Achtung, „etwas weniger niedrigen Honorar“.

Weniger niedrig, also höher. Wenn der Schreiber des Gottschalk-Artikels ironische Distanz ausdrücken wollte, muss man ihm entgegenhalten, dass Ironie in der Nachricht nichts zu suchen hat, sondern nur in Formen, die eindeutig Humor erwarten lassen, wie der Glosse oder Kolumne.

Die meisten Adjektive existieren in Gegensatzpaaren

Doch auf Ironie kommt es hier nicht an. Das Beispiel ist kein Einzelfall, sondern nur eins von vielen, die in jüngster Vergangenheit in Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, Büchern, Radio und Fernsehen zu lesen oder zu hören waren. Diese Art der Verwendung von Adjektiven hat sich allgemein ausgebreitet und im Sprachgebrauch festgesetzt.

Wieso eigentlich? Zu den meisten Adjektiven lassen sich Gegenteile finden, wie schlecht zu gut, klein zu groß, oder eben hoch zu niedrig. Dennoch wird vor denselben Begriff einfach weniger gestellt, wie in weniger gut, weniger groß oder weniger niedrig.

Ursache 1: Die Relation im Absoluten

Bisher habe ich vermutet, das Phänomen sei Teil eines Genauigkeitsstrebens. Wenn ich beispielsweise Wachstum als weniger stark bezeichne, erkenne ich daran, dass es immer noch im starken Bereich ist, nur etwas schwächer. Demgegenüber könnte man bei schwächerem Wachstum vermuten, dass es sogar absolut schwach, also nicht mehr abgeschwächt innerhalb des Starken ist.

Ursache 2: Sanft tut nicht weh

Zweitens nahm ich an, dass in manchen Fällen das Gegenteil zu hart klingt. Wenn etwas weniger gut ist, klingt das weniger hart, Verzeihung: sanfter als schlecht, bedeutet aber fast dasgleiche. Beide Ursachen mögen eine Rolle spielen, doch inzwischen hört man das Phänomen so oft, dass es sich verselbständigt hat – man macht es einfach so. Das ist weniger komisch, ernst geradezu, weil es die Sprache ärmer macht, ihr Präzision und Unterscheidungskraft nimmt.

Mehr über diesen Verwandten des Orwell’schen Neusprechs hier. Wenn das Gegenteil nicht gleich auf der Zunge liegt, hier gibt’s „Sag es treffender“.

One Response to Gottschalks Honorar? „Etwas weniger niedrig!“
  1. @ Gernot:

    Danke für die Blumen. Der Like-Button war ursprünglich nicht im Konzept vorgesehen, wird aber aufgrund der Nachfrage baldmöglichst eingearbeitet.
    Bis dahin bitte bookmarken und den RSS-Feed nicht vergessen.


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