Jetzt ist der Bindestrich dran. Wer ihn weglässt, kreiert ein Deppenleerzeichen, meint die „Zeit“ online. Schön, dass auch andere den Wert des Bindestrichs erkennen. Nicht ganz so schön dagegen die Inszenierung.

Deppenleerstelle-Bindestrich-Zeit-online-2017

„Ich bin hier nur der Depp? Oder Rechtschreibnazi?“ Iwo! Der Bindestrich macht’s klar und verständlich. (Bildschirmfoto)

Kurze Wochenrückschau: Die „Zeit“ greift das Thema Bindestrich online auf. Das ist gut, auch wenn die Schlagzeile „Bindestrich? Voll AfD-mäßig“ unnötig provoziert. Aber anscheinend kann man keine sachliche Debatte führen, sondern muss emotionalisieren, damit die Leute klicken und kommentieren. Weiter noch: Die Zeile trägt das typische Muster der politischen Debatte: Hier die Guten mit den Argumenten (= die Demokraten), dort die anderen. Nur dass die anscheinend doch Gründe haben – wie der Artikel zeigt.

Dazu trägt zweitens im Text die Selbstbeschreibung des Autors als „Rechtschreibnazi“ bei. Auch das typisch und unnötig: Wahrscheinlich (hoffentlich!) ironisch gemeint, aber auch eine radikale Aufladung.

Drittens finde ich es fragwürdig, von einem Deppenleerzeichen zu sprechen. Das Apostroph trug diesen Titel zurecht, weil sich dahinter tatsächlich Unkenntnis verbarg; bei der Leerstelle scheinen mir Mode und Konformitätszwang die stärkeren Triebkräfte zu sein. Das würde auch die rasche Ausbreitung erklären, zu der es beim Apostroph nie kam, geschweige denn angestrebt wurde. Bei der Leerstelle bin ich mir da nicht so sicher.

Der Bindestrich: Klar und eindeutig
Der Beitrag ist trotzdem lesenswert, weil schön Beispiele drin sind und er nicht zu lang ist. Die Beispiele zeigen, dass es nicht auf formale Fragen wie einheitliche Schreibung oder Rechtschreibung ankommt, sondern funktionale Argumente wie das Leseverständnis und inhaltliche Eindeutigkeit für eine Verwendung von Bindestrichen sprechen. So wird die Leer- zur Lehrstelle (man verzeihe mir den naheliegenden, doch passenden Kalauer.)

Hier meine Top 3, die schön zeigen, wie sich die Bedeutung mit oder ohne Bindestrich ändert:

  1. „Wir ändern Frauen, Herren Kinder Bekleidung” vs. „Wir ändern Frauen-, Herren-, Kinder-Bekleidung.“
  2. Williams Schwestern sind andere Personen als Williams-Schwestern.
  3. „Ihr Rundfunk Beitrag für gutes Programm“ (Werbeaufkleber des SWR) Kompliment für eigenständig funkende Bürger? Ohne Bindestrich schon. „Ihr Rundfunk-Beitrag für gutes Programm“ macht es eindeutig. Der Rundfunkbeitrag natürlich auch.

Die stärkste Doppeldeutigkeit bzw. Bedeutungsänderung finden Sie in dem Satz: RAF-Terroristen nennen Buback Mörder.

Die Ursache
Schlüssig kommt der Autor dann zu den zutreffenden Ursachen dieser Entwicklung:

Die Ausbreitung des Deppenleerzeichens . . . zeigt die Verführungskraft von irrationalen Moden, die Abschüssigkeit von Irrwegen, die immer leichter zu betrampeln werden, je mehr Leute denselben Denkfehler machen. Oder das Nachdenken einfach sein lassen.

Ganz schön resigniert, aber wahrscheinlich richtig. Die CI-Regeln der großen Unternehmen, die ihre Markennamen nicht mit Bindestrichen verunzieren möchten und auf organisationsweite Einheitlichkeit abzielen, fördern den Effekt kräftig. (Bsp. im Artikel: Der DHL Paketbote, oder hier im Blog.)
Erstaunlich ist die hohe Zahl von Kommentaren, über 400 in ziemlich genau 12 Stunden nach Veröffentlichung. Das zeigt, das auch solche Fragen noch die Öffentlichkeit bewegen.

Ich selbst habe schon sieben Einträge zum Bindestrich geschrieben. Hier geht’s zur vorigen Folge, von da aus können Sie sich bis zum Beginn durchklicken.

One Response to Bindestrich, oh binde mich (8): Das „Deppenleerzeichen“
  1. […] sinnfälliger Beispiele lesen will, findet bei Bastian Sick Grundlegendes. Sonst geht es hier zur letzten Folge meiner kleinen Serie „Bindestrich, oh binde […]


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