Wortspiele gelten unter Kunden und Kreativen als Ausweis von Geist und Witz. Doch nicht alle sind alltagstauglich, erst recht nicht dauerhaft. Andere wiederum sind kurzweilig und konzeptdienlich. Zwei Beispiele aus dem Einzelhandel.

(23.12.2016) Zum Jahresende und nach den schweren Themen der letzten Einträge heute etwas Leichtes, Unterhaltendes; Neues aus dem Einzelhandel. Hier verfolge ich gelegentlich, welche Namen sich Geschäfte geben. Ein vorweihnachtlicher Besuch in Hamburg förderte unlängst zutage, dass Wortspiele nach wie vor beliebt sind. Zwei neue Beispiele:

Tierbar. Für alle Felle.

Für alle Felle – das geht unter die Haut (Bildschirmfoto)

Für alle Felle – das geht unter die Haut (Bildschirmfoto)

Frage Nr. 1, die ich mir stelle, wenn ich mit Worten spiele: Wie originell ist das Wortspiel? Und wie unterstützt es das Briefing? Passt es schlüssig hinein, oder wirkt es aufgepfropft? Eins zu verwenden, ist manchmal ein Hinweis darauf, dass die kreative Idee fehlt, nicht selten wirkt es wie eine Verzweiflungstat. In einer dritten Gruppe von Fellen, Verzeihung, Fällen IST es die kreative Idee.

Warum ein Wortspiel? Es schafft Aufmerksamkeit, man guckt nochmal hin, ob man auch richtig gelesen hat, und schmunzelt, wenn es gut läuft. Bei den Tierfellen ist es mir passiert. Zumal die Illustration in ihrer Mischung aus Stilisierung und Emotion gut gelungen ist, auffällt und zum Namen passt. Über den Humor in der Darstellung wird zweifellos die Einstellung zum Geschäft positiv beeinflusst, die Wirkung ist sympathisch. Die Domainreservierung wird leichter, die Platzierung im Ranking (SERP) auch.

Aber es tut auch weh, ein bisschen jedenfalls: „Für alle Felle“ ist bei genauerer Betrachtung, was ich ein Jazz-Wortspiel nenne, womit ich das Gespreizt-Intellektuelle in Verbindung mit einem kindlichen Humor meine. Hier kann man es sogar wörtlich nehmen: Auch ein Jazz-Drummer hätte seine Solo-CD so benennen können. Und was ist mit den Vögeln und Schlangen, den Kröten und Echsen, allen also, die kein Fell haben? Sie werden ausgeschlossen. Und das im Zeitalter der Inklusion. Tss. . . Naja, rechtlich sind Tiere Dinge. Und die Subline klärt uns über die Einschränkung auf. Also warum nicht? Wenigstens hat das Wortspiel Witz und passt zum Zweck des Geschäfts, das wiederum auch mit einem eigenwilligen Namen glänzt: Tierbar.

Der Die Sein Markt

Der-Die-Sein-Markt-Hamburg

Der oder Das Design – der verkaufsträchtige Ratespaß (Bildschirmfoto)

Anders dagegen wäre der Der Die Sein Markt zu beurteilen. Das wirkt auf mich wie ein billiger Gag oder ein krampfhafter Versuch, Aufmerksamkeit zu heischen. Drei Silben, der Versuch einer logisch zwingenden Reihung, bei der das letzte Glied ausgetauscht wurde: Sein statt das. Vielleicht wurde der Name gewählt, um sich abzuheben, um anders zu sein; weil man durch die Schreibung das Besondere betonen wollte, um sich im dichtbesetzten Lifestyle-Segment abzuheben: Besondere Schreibung, besonderes Sortiment.

Interessant: Nix helfen bei SERP, hätte ich getippt. Aber wenn man den Namen so googelt, wird Der Die Sein Markt tatsächlich an Platz eins geführt. Das hätte ich nicht unbedingt erwartet. Doch das ist ein Denkfehler, denn zwar sind die einzelnen, einsilbigen Worte der, die und sein als Suchworte generisch, doch die Kombination ist dann schon wieder einzigartig. Vielleicht haben Backlinks von einer oder mehrerer vielbesuchter Seiten zusätzlichen Schub gebracht. Insgesamt fehlt mir der zwingende, unmittelbare Zusammenhang mit der Geschäftsidee. Man muss einmal um die Ecke denken, bevor der Groschen fällt, das Die Sein Design sein soll. Dieses Wortspiel hätte ich mir verkniffen und lieber nach einer Alternative gesucht. Und wenn man auf die Schlagzeile dieses Eintrags schaut, muss man sagen: Beide Wortspiele hintereinander geschrieben machen den Eindruck, hier wäre eine Legastheniker am Werk gewesen.

So, das wäre es fürs Erste.  Hier meine Einzelhandelsbeobachtungen von meinem letzten Hamburg-Besuch. Fröhliche Weihnachten!

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