Die Wahl zum Jugendwort des Jahres beweist ihre Irrelevanz: Fly sein wurde aufgrund „sprachlicher Kreativität“ und „Originalität“ gewählt. Welches Wort Jugendliche wirklich benutzen.

Langenscheidt-Jugendwort-fly-sein

Und der Sieger ist . . . fly sein. (Bildschirmfoto)

(20.11.2016) Langenscheidt hat gesprochen: Fly sein ist das Jugendwort des Jahres 2016. Es bedeutet, dass etwas oder jemand besonders abgeht. Muss man sich adverbial mit am vorstellen, also am fly sein. Wieder einmal darf ich anfügen: Nie gehört. Das ist nicht neu, sondern war in der Vergangenheit schon mal so. Da es nicht nur mir so ging, kam die Frage nach der Relevanz der Wahl auf. Denn welche Bedeutung hat eine Wahl, wenn das Wort, das herauskommt, in der Zielgruppe gar nicht benutzt oder auch nur gekannt wird? Mit der Folge, dass von den letzten so genannten Jugendwörtern des Jahres nur yolo tatsächlich gebraucht wird.

Den Relevanzhinweis kann ich mir sparen. Denn bei den Kriterien spielen nicht nur Bekanntheit bzw. der Einsatz eine Rolle, sondern auch „sprachliche Kreativität“ und „Originalität“, wie man der Webseite der Veranstaltung entnehmen kann. Die wiederum legt eine Jury aus Schülern, Studenten, jugendaffinen Medienarbeitern und Sprachwissenschaftlern fest, die Allgemeinheit hat nur Vorschlagsrecht. Was dabei herauskommt, sieht man. Sie sagen sie es zwar offen, aber es nährt den Verdacht, dass der Langenscheidt-Verlag nur die Werbetrommel für sein Buch zur Jugendsprache rühren will, und sich für die Realität gar nicht so interessiert.

Jugendwort pranken

Bevor ich mich auf Content Marketing spezialisierte, war ich u.a. Reporter. Da lernt man, dass man am besten rausgeht und mit Leuten redet, wenn man etwas über das Leben erfahren will. Regelmäßige Leser dieser Kolumne wissen, dass ich eine halbwüchsige Tochter habe. Was also lag näher, als mit ihr in bester Reportermanier über ihr angesagtestes Wort zu reden? Sie ist insofern ein guter Indikator, weil sie auch yolo, den Gewinner 2012, zu ihren regelmäßigen Ausdrücken zählt.

Auf Basis dieser zugegeben kleinen Stichprobe kann ich pranken empfehlen. Kennen Sie auch nicht? Dann sollten Sie mehr YouTube-Videos schauen. Wenn die dortigen Stars wie Bibi, Dagi Bee oder Julien Clips posten, sind vier bis fünf Millionen Klicks die Folge. Hier ein Dagi Bee-Prank, hier einer von Bibi, hier von Julien. Pranken jedenfalls sagt man unter Kids, wenn man jemanden verarschen will, sagt meine Tochter. Das bestätigt auch Gutefrage.net. Komisch, dass ich das nichtmal über die Suche auf jugendwort.de finde. Und das, obwohl mit iBlali sogar ein Youtuber in der Jury sitzt.

Der Rest vom Fest

Zum Teil waren die Vorschläge für die diesjährige Wahl sehr lustig – Beispiele für lebendige Realitätsbeobachtung, guten, scharfen Witz und Sinn fürs Wortspiel. Daher hier als kleine Wiedergutmachung zum Schluss ein paar der besten:

  • isso – Zustimmung, Bekräftigung
  • Bambusleitung – schlechte Internetverbindung
  • Hopfensmoothie – Bier
  • Vollpfostenantenne – Selfiestick
  • Tindergarten – Sammlung von Kontakten beim Online-Dating
  • Banalverkehr – belangloser Chatverlauf
  • Uhrensohn – jemand, der sich zur falschen Zeit wie ein Idiot benimmt.

2015 hieß der Gewinner übrigens Smombie, 2014 Läuft bei Dir. 2013 hatte ich aus Protest gegen Babo (= Anführer, Chef) nicht kommentiert, hier geht’s zum Jugendwort-Eintrag 2012.

One Response to Dabei sein mit fly sein
  1. […] über den Vong-Erfinder und die Medienresonanz in einer dpa-Meldung. Mehr Jugendworte in diesem […]


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