Über unnötiges Bedauern, falsche Freundlichkeit und übertriebene Psychologisierung kreativer Prozesse.

(7.5.2016) „Lieber Herr Bargmann, vielen Dank für . . .. Leider gefällt uns . . .  noch nicht.“ Solche Mails gehören zum Alltag, ich erhalte sie immer wieder mal. Auf diesem Weg teilen mir Kunden ihre Unzufriedenheit mit, zum Beispiel wenn Texte noch nicht ihren Vorstellungen entsprechen und verbessert werden müssen. Sie sind wahrscheinlich einfach nur nett gemeint, in freundlicher Absicht geschrieben. Und trotzdem stört mich etwas daran. Es ist dieses vermaledeite „leider“.

Wofür entschuldigt sich der Kunde? Dass er glaubt, mir mit der zusätzlichen Arbeit Unannehmlichkeiten zu bereiten? Was genau bedauert er? Seine Ablehnung? Das Zwangsläufige, das damit gemildert werden soll? Wegen der hohen Ansprüche, die darin unausgesprochen zum Ausdruck kommen?  Und denen ich nicht gerecht werden konnte und anscheinend nicht kann, wie man weiter folgern könnte? Meint er, dadurch eine stille Anklage erhoben zu haben (Versagen, Unfähigkeit meinerseits) und diesen Spalt kaschieren zu müssen? Tut sich gähnend eine Kluft zwischen uns auf, in die er mich stürzt? Fast scheint es so.

Im Grunde ist doch gar nichts dabei. Ich arbeite an einem Auftrag, ein Entwurf kommt nicht an, ich optimiere oder mache ganz neu.  Jede kreative Aufgabe ist ein mehrstufiger Prozess, in dem neben handwerklichen Grundsätzen Geschmacksfragen, unterschiedliche Ideen und Vorstellungen und damit abweichende, vielleicht sogar konträre Meinungen unvermeidlich sind. Die Kunst besteht darin, die Bestandteile bestmöglich unter einen Hut zu kriegen – den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Und dann das Beste draus zu machen.

Für mich ist es ein ganz und gar gewöhnlicher Vorgang: Der Kunde und ich stehen in einer Geschäftsbeziehung. Er hat mich mit etwas beauftragt, dass ich als Dienstleister erstelle. Fehler und Fehlversuche sind Teil des Prozesses. Da gibt es nichts zu bedauern und zu entschuldigen. Man muss sich auch für nichts schämen, erst recht nicht, wenn man die Rechnung zahlt. Kritik aufzunehmen ist selbstverständlicher Teil meiner Dienstleistung. Mein Job ist, den Kunden glücklich zu machen. Da wird etwas größer gemacht als es ist oder sein müsste oder sollte. Aber warum?

Die Zwänge von Konsens und Toleranz

Ich glaube, die Kunden sehen das im Grunde ganz genauso. Doch wir leben im Zeitalter des kollektiven Konsenses, und da fällt Ablehnung schwer, weil sie den Abgelehnten ausgrenzt. Außerdem kommunizieren wir alle „auf Augenhöhe“, wie man so sagt. Das bedeutet: „Ober sticht unter“ gilt nicht mehr, formale Autorität, hier die des Auftraggebers, ist gefühlt futsch. (Faktisch existiert sie schon, denn wer zahlt, schafft an.) Und dann die Toleranz. Ist man nicht kleinlich und spießig, wenn man auf Änderungen in Texten drängt? Ob nun so oder anders – ist es nicht gleichgültig? Wollen wir nicht alle im Grunde dasgleiche? Schließlich die Würde: Wie Kritik formulieren, damit der andere es nicht persönlich nimmt und sich beleidigt fühlt? Daher versucht man ausgesucht freundlich, höflich und zuvorkommend zu sein. Das geschieht dann, wenn Sie mich fragen, um den Preis des Aufgesetzten, Unechten und vor allem Durchschaubaren. Der Schleier ist dünn, ich erkenne die Absicht. Was bringt es dann?

Das wäre die freundliche Variante. Doch es gibt auch eine weitergehende, feindseligere Interpretation. In ihr ist leidern  geheuchelt, scheinheilig, vielleicht sogar verlogen. Da will jemand nur bekommen, was er will, traut es sich aber nicht direkt zu sagen (aus oben genannten Gründen), und dabei ist ihm jedes Mittel recht, auch das falscher Freundlichkeit. Manche, befürchte ich, machen sich dieses Instrument subtil, aber konsequent zunutze und leidern absichtlich. Der Zweck: Sie versuchen darunter Unverfrorenheit, Perfektionismus oder sadistische Tendenzen zu kaschieren.

Wir kennen das Prinzip, dass der Kunde oft nicht weiß, was er will, und erst nach ein paar Entwürfen eine Vorstellung davon hat, wohin es gehen soll. Und dann geht es weiter und weiter, der Bogen ist längst überspannt, und doch muss der Dienstleister noch mal ran, in die 7. oder 9. Korrekturschleife, solange bis es perfekt ist. Da soll das Leidern dann Anteilnahme vorspiegeln, die in Wahrheit gar nicht da ist. Hauptsache, man kriegt, was man will. Die Frage, ob das gestaltungsökonomisch sinnvoll ist und sich das Ergebnis noch verbessert, wird hintenangestellt.

Damit wir uns richtig verstehen. Ich wünsche mir weder herablassende Belehrungen noch persönliche Herabsetzungen , keine Standpauken oder Wutausbrüche, Gezeter oder gar Unflätigkeiten. Höflichkeit und gute Umgangsformen sind für mich Teil des professionellen Selbstverständnisses.

Ich würde vorschlagen, zur Tagesordnung zurückzukehren. Sagt einfach, wenn Euch was nicht passt. Versteh ich, muss man keinen Tanz drum machen. Kritisieren wir offen, sachlich und möglichst objektiv, vermeiden wir Emotionalisierung. Leider mich nicht, sondern sag, wo der Schuh drückt. Du darfst. Solange Du pünktlich zahlst. 🙂

Dass ich über eine Frage zur internen Kommunikation blogge, ist selten. Zuletzt hatte ich den erfreulichen Abschluss eines Online-Projektes zu vermelden.

One Response to Leider mich nicht.
  1. […] Mein letzter Beitrag zur Zusammenarbeit handelte vom Leidern. […]


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