Bürokraten und politische Korrektheit schaffen oft hässliche Worte – wie arbeitssuchend. Muss man sie benutzen? Falls nicht, warum? Der Test.

„Arbeitssuchend“ (Scan aus der SZ): Störfaktor im Textfluss

(28.2.2015) In der Süddeutschen Zeitung begann eine Meldung im Panorama am vorvergangenen Mittwoch (18.2.) so – s. linke Spalte im Scan:

Heather McNab, 18, britische Arbeitssuchende, hat bei ihrer Bewerbung . . .

Ich stutzte kurz. Arbeitssuchend ist zwar in der Verwaltung die offizielle Bezeichnung für arbeitslos, doch in der freien Wildbahn wird sie selten bis nie benutzt – bis jetzt. Die Präsenspartizipien (so heißen die Verbformen mit – nd am Ende) haben die Eleganz eines Klumpfußes, vor allem wenn sie wie hier als Substantive eingesetzt werden (der/die Arbeitssuchende), und sollten deswegen aus Textersicht weitestgehend vermieden oder umschrieben werden, damit ein Text gut lesbar und verständlich bleibt.

Da die Verwaltung mit der Eleganz traditionell auf Kriegsfuß steht (man denke an die grauenhaften Schreiben des Finanzamtes in Acht-Punkt-Großrechner-Schrift auf graugelbem Recyclingpapier) und angehalten ist, politisch korrekte Sprache zu verwenden, muss man realistisch erwarten, dass ein so hässliches Wort wie arbeitssuchend dort im Schriftverkehr auftaucht. Aber in einer Zeitung, die sich am Kiosk behaupten muss? Das wäre neu, ungewöhnlich und vermeidbar.

Arbeitssuchend vs. arbeitslos – der Test

Testen wir empirisch: Arbeitssuchend liefert (Stand: heute) 461.000 Treffer bei Google, arbeitslos 3.700.000, also etwa achtmal so viel. Darunter finden wir auf der ersten Seite große Publikumszeitschriften und Tageszeitungen (Stern, Spiegel, Bild, Welt, FAZ sind die ersten fünf Treffer) – nur die Süddeutsche nicht. Sogar die Stadt München spricht auf ihrer Webpräsenz von arbeitslos, und natürlich auch das Arbeitsamt, Verzeihung, die Arbeitsagentur.

Mehr als genug Gründe also, in aller Seelenruhe weiter von arbeitslos zu sprechen und die ästhetischen Zumutungen der Bürokraten und der politischen Korrektheit guten Gewissens zu vermeiden. Ins Gute gewendet müsste man so schlussfolgern: Beim Texten sollten Sie drauf achten, dass der Textfluss durch eine homogene Wortwahl gewährleistet ist, und Störfaktoren aus Marketing-Jargon oder Beamtendeutsch, die wie Fremdworte klingen, vermeiden.

P.S. Die Pointe der Meldung war gut: Die Frau hatte statt ihres Lebenslaufes ein Kochrezept geschickt und wurde deswegen abgelehnt. 🙂

Mehr über die Freuden der Behördensprache.

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