Häufig liest man, dass etwas erstellt wird, vor allem in der Digitalindustrie. Doch dieses Verb ist schwach und sollte daher besser vermieden werden. Beispiele und Vorschläge.

Lässt den Leser im Dunkeln: Erstellen einer Webseite

(30.8.2013) Etwas zu erstellen ist eine schlimme Formulierung. Lesen Sie mal hier:

Unser Webauftritt wird gerade erstellt.

heißt es auf der Homepage der Münchner Cordo-Bar, auf die ich kürzlich auf der Suche nach abendlicher Unterhaltung stieß. Formal ist an dieser Formulierung nichts falsch. Tatsächlich liest man so etwas oft und hat sich fast schon dran gewöhnt. Was wird nicht alles erstellt?  Selbst hier in WordPress: Artikel erstellen heißt es da. Mich schaudert es da jedesmal. Wissen Sie, was mein Problem ist? Ich kann mir unter erstellen nichts vorstellen. Worte, unter denen wir uns nichts vorstellen können, sind leere Worte, die nichts bewirken und nichts bewegen. Genau deswegen aber kommunizieren wir doch: Weil wir etwas erreichen wollen, und sei es nur, jemand anders so zu informieren, dass er es im Gedächtnis behält.

Die Kraft des Bildes

Dafür brauchen wir Bilder. Artikel zum Beispiel können geschrieben werden. Sehen Sie? Schon haben Sie ein Bild. Das ist Ihnen zu eindimensional, weil in einem Blog multimedial gearbeitet wird? Dann haben Sie sich soeben als der nicht seltene Fall entlarvt, der Begriffe nur dann zulässt, wenn sie wissenschaftlich korrekt alles umfassen, was sich dahinter verbergen könnte. Das funktioniert nur in den wenigsten Fällen, und ich verstehe auch gar nicht, woher diese Erfordernis kommt. Notwendig erscheint sie mir für erfolgreiche Kommunikation nicht.

In einem meiner Seminare wurde ich gefragt, was man statt die Rechnung erstellen sagen könne? Auch hier war meine Antwort: schreiben. Verbreitet ist auch noch stellen. Sehen Sie die Leiter an der Hauswand vor sich? Das ist der Unterschied zu erstellen.

Erstellen in den Medien

Eine weite Wüste bietet auch das Bild in den Medien. Ein anderes, älteres, immer noch aktuelles Beispiel von Spiegel Online:

Selbst erstellte Cover-Bilder

werden in einem Artikel über den iTunes-Clouddienst erwähnt. Für meine Ohren klingt das stilistisch umständlich, bürokratisch, unbeholfen. Dabei gibt es so naheliegende Alternativen: selbst gemachte Bilder, oder einfach nur eigene. Auch Apps werden gerne erstellt. Warum programmiert oder entwirft sie niemand?

Und ein letztes, ganz besonders schlimmes Beispiel: Auf der Wissensseite der Süddeutschen Zeitung vom 30.12.2011 ging es um Brücken. (Sie sehen, ich verfolge das Thema schon länger.) Und die wurden in dem Beispiel erstellt! Auch das ist formal korrekt, wie der Duden bestätigt, aber doch eine tote Formulierung. Ich weiß nicht, was Sie mit Brücken tun, aber ich würde sie bauen oder errichten.

Woran erkenne ich ein starkes Verb?

Ein starkes Verb erkennen Sie an seiner Bildhaftigkeit. Wenn ich mir den Vorgang vorstelle, den es bezeichnet, dann sollte daraus ein möglichst bewegtes Bild vor meinem inneren Auge entstehen. Verben der Bewegung daher gelten als besonders stark: Laufen, werfen, schlucken, fahren, traben . . . natürlich passen sie nicht zu jedem Thema. Faustregel: Verben, die sich unregelmäßig konjugieren lassen, gelten als stark. Gehen (ging, gegangen), laufen (lief, gelaufen) oder sprechen (sprach, gesprochen) sind stärker als hängen (hängte, gehängt) oder eben erstellt (erstellte, erstellt).

Zwei weitere schwache, leider häufig genutzte Verben sind daherkommen und performen.

2 Responses to Erstellen: Ein schwaches Verb
  1. Medien-Woche 36/2013: Facebook-Bilder, Posts & Likes | kommunikationsABC.de 6. September 2013 at 12:47 Antworten

    […] Erstellen: Ein schwaches Verb […]

  2. […] über schwache Verben? Sicher ist Ihnen auch schon daherkommen untergekommen. Oder Sie haben etwas erstellt. Wenn Sie etwas über Popmusik gelesen haben, haben Sie sich vielleicht gefragt, was performen […]


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