Zarte Nachforschungen über einen expandierenden neuen Begriff.

(12.1.2013, Aktualisierung 3.6.2020) Der Schalker Fußballer Lewis Holtby wechselt im Sommer nach England in die Premiere League. Sein Mannschaftskollege, der auslandserprobte Christoph Metzelder, ermutigt ihn: Holtby verlasse nun die Komfortzone. Wer, wie ich, beim Lesen über die Bedeutung der Worte nachdenkt, stutzt hier: Wo war Holtby bisher?

Meint Metzelder vertrautes Terrain, die gewohnte Umgebung oder heimatliche Gefilde? Jenen Ort, den du wie Deine Westentasche kennst, an dem du nicht kritisiert oder gar abserviert wirst, sondern respektiert und anerkannt bist? Soviel scheint klar: Außerhalb der K. musst du dich beweisen, behaupten, deinen Platz noch erst sichern. Draußen ist die Kampfzone. Spurensuche im Blog: Denn auch wenn Metzelder all das Kursive hätte sagen können, hat er es nicht. Manche Fügungen kommen außer Mode, neue treten an ihre Stelle, Fragen nach dem woher und wohin tauchen auf.

Spuren führen in die USA . . .

Im Duden steht die Komfortzone noch nicht, aber das scheint nur eine Frage der Zeit. Denn Google liefert, Stand heute, schon stattliche 471.000 Treffer, in den Medien taucht sie auf: Zum Beispiel hier im Harvard Business Manager oder hier im Sportteil der Neuen Presse. Eine frühe Quelle ist ein Interview in der Welt mit dem Schriftsteller Jonathan Franzen von 2007. Dieser Fund zeigt: Die Komfortzone ist ein Anglizismus, denn als comfort zone ist sie westlich des Atlantik geläufig – und anscheinend nicht so einfach in einer Analogie abzubilden, sodass jetzt die wörtliche Übersetzung als Lehnneuschöpfung Einzug ins Deutsche hält. Auch mein Freund, der englische Übersetzer, hat die comfort zone schon des öfteren ins Deutsche übertragen. Seine Lösung: Die Komfortzone. 🙂

. . . und in die Psychologie

Ins Deutsche kam die K. anscheinend über die Persönlichkeitsentwicklung, nach der sie im Zuge der Selbstoptimierung zu verlassen und erweitern sei. Also mehr Psychologie als Geografie, doch die Komfortzone klingt nach Behaglichkeit und Wohlfühlen, so wie die Badewasser- oder Zimmertemperatur. Zeiten mit koffeinfreiem Cappuccino und Wellnessoasen bringen beste Startvoraussetzungen mit sich. Umgangssprachlich könnte man sagen, dass man seinen inneren Schweinehund überwindet, wenn man seine Komfortzone verlässt. Aber in der Hochsprache? Insofern ist die Komfortzone eine interessante Neuschöpfung, die mehrere Aspekte zusammenfasst, die wir vorher nicht in einem Wort ausdrücken konnten.

(Aktualisierung 3.6.2020) Inzwischen hat die Komfortzone einen Dudeneintrag.

Ähnlich wurden die Austeritätspolitik und die romantische Komödie eingedeutscht – ihre Bedeutung ist indessen konkreter.

One Response to Expedition in die Komfortzone
  1. […] (15:40) Mal ganz abgesehen davon, dass legendär hier die perfekte Lösung gewesen wäre, wird an diesem Beispiel auch klar: Wir haben mit ikonisch einen weiteren Fall, in dem ein Anglizismus (iconic) herüberschwappt und wie so oft nur hilflos lautmalerisch/wörtlich übersetzt wird, ohne nach dem Sinn zu fragen. vgl. hate speech/Hassrede oder die comfort zone/Komfortzone. […]


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