Wenn man etwas entsorgt hat, ist man eine Sorge los. Und man hat sich keinesfalls die Finger schmutzig gemacht. Ob das Grund für den Siegeszug dieses Wortes ist?

(6.9.2012) Entsorgen war lange eine vornehme Umschreibung für alles, was auf den Müll sollte, aber so peinlich, ekelhaft oder vielleicht sogar giftig war, dass man darüber nicht direkt sprechen mochte – so wie radioaktive Abfälle.

Für normalen Müll konnte man lange noch wegwerfen oder wegschmeißen sagen. Damit ist es vorbei, entsorgen ist im Gegenzug zum umfassenden Begriff für alles geworden, was wir nicht mehr brauchen. Es klingt viel hygienischer; beim Entsorgen macht sich bestimmt niemand die Hände schmutzig.

Das Verb passt perfekt in die Zeit, in der wir immer vager sprechen und nichts Genaues mehr sagen, um nicht festgelegt zu werden oder nichts und niemanden zu diskriminieren. Ein Nebensinn hat entsorgen vielleicht zusätzlich auf die Sprünge geholfen: Mit dem Wegwerfen hat man sich einer Sorge entledigt.

Vor dem allgemeinen Gebrauch steht ein jahrelanger Diffusionsprozess: Erst wird ein Begriff in bestimmten Kreisen (wie der Politik, danach in Behörden) gebraucht, dann findet man ihn – ironisch oder ernst gemeint – in Medien, und irgendwann taucht er in den langlebigsten aller Medien, in Büchern auf. Damit ist er geadelt.

Vor einiger Zeit las ich Eugen Ruges Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, mit dem er 2011 den Deutschen Buchpreis gewann. Hier wird praktisch und dauernd alles entsorgt, auch dann, wenn es weggeschmissen werden könnte. Die Umgebung des Romans ist eine (mehr oder weniger) normale Familie – es gäbe also gar keinen Grund, etwas zu entsorgen. Entsorgen wir doch entsorgen – ich wünsche mir einen sprachlich entspannteren, geerdeten Umgang mit dem Müll zurück.

Die Verhüllung lässt sich spielend auf die Spitze treiben – z.B. indem sich Müllentsorger harmlose Kunstnamen geben.

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