SZ-Artikel (Ausschnitt): Übermäßige Genauigkeit?

Letzten Freitag fand sich in der Süddeutschen Zeitung im Aufmacher des Wirtschaftsteils ein Satz, den ich zur Diskussion stellen möchte. In dem Artikel geht es um die erste Frau, die in den BMW-Vorstand berufen wird (s. Abb.). Der Autor beklagt die bis dato altmodische Außendarstellung des Unternehmens, dann heißt es (in der ersten Spalte unten):

Ein Bild wie aus den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Eine redundante Formulierung, finden Sie nicht auch? Aus welchem Jahrhundert sonst, wenn nicht dem vorigen, dem 20.? Seit mit der Jahrhundertwende die ersten beiden Ziffern der Jahreszählung gewechselt haben, beharren Genauigkeitsfanatiker auf diesem Zusatz. Ihre Begründung: Man müsse deutlich machen, welches Jahrhundert gemeint sei; es sei nicht selbstverständlich. Das ist formal korrekt, aber ist der Vorschlag deshalb praxistauglich? Meine Überlegung: Was hätte der Autor geschrieben, wenn er ein anderes Jahrhundert gemeint hätte? Wir spielen das kurz durch, indem wir ein Jahrhundert zurückgehen:

Ein Bild wie aus den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts.

Klingt komisch, nicht wahr? Wer, mit Ausnahme eines Historikers, wüsste so genau in den Dekaden der Jahre 1801-1900 Bescheid, als dass er so eine Formulierung gewählt hätte? Höchstwahrscheinlich ließe jemand, der das 19. Jahrhundert meint, das Jahrzehnt weg:

Ein Bild wie aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Für die Jahre, sagen wir, 1811-20 oder 1881-90 lässt sich das analog variieren: Ein Bild wie aus dem frühen/späten 19. Jahrhundert. Je weiter die Zeit zurückliegt, desto vager beziehen wir uns darauf – außer vielleicht in einem spezifisch historischen Kontext, wie gesagt. Vielleicht ginge man sogar nur auf das ganze Jahrhundert:

Ein Bild wie aus dem 19. Jahrhundert.

Heißt für das 20. Jahrhundert: Nach wie vor reicht es,

Ein Bild wie aus den 50er Jahren

zu schreiben. Analog argumentiere ich für die hässliche Formel von den 1950er Jahren, wenn also zur Klarstellung das Jahrhundert vor das Jahrzehnt gestellt wird – redundant, und damit überflüssig.

P.S. Der gedanklichen Ordnung halber: Da wir erst 2012 haben, ist es logisch ausgeschlossen, dass mit den 50er Jahren das 21. Jahrhundert gemeint ist.

One Response to Redundante Pedanterie: Die 1950er
  1. […] ich schon vor drei Jahren in einem  Blogbeitrag deutlich gemacht habe, ist das erstens hässlich, zweitens umständlich und drittens unnötig, da […]


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